“It was the owl that shrieked, the fatal bellman,
Which gives the stern’st good-night.” (W. Shakespeare, Macbeth, II.2)
Eulen sind einerseits Symbole der Weisheit, ihnen ist aber gleichzeitig oftmals die Rolle der Unglücksbringer, der Todesboten zugeschrieben worden und zumindest zwei der drei an OWLS Beteiligten haben sich im Laufe ihrer langen Karrieren auf die eine oder andere Art mit dem grim reaper auseinadergesetzt und sind seit Jahrzehnten in verschiedensten (sub-) kulturellen Konstellationen aktiv.
In den letzten Jahren hat sich Tony Wakeford weniger auf seine Hauptband als auf zahlreiche Nebenprojekte konzentriert; so reaktivierte er sein klassisches Projekt unter leicht geändertem Namen (ORCHESTRA NOIR) und mit kammermusikalischer Ausrichtung, nahm mit Andrew King ein Album auf, um den Geistergeschichten von M.R. James zu huldigen (THE TRIPLE TREE), veröffentlichte zwei Soloalben und spielte mit Andrew Liles unter dem Projektnamen THE WARDROBE zwei experimentellere Alben auf, die entfernt an seine Anfang der 90er veröffentlichte Arbeit mit Steven Stapleton anknüpften. Zudem wurde das mit Kris Force und Nick Grey eingespielte Album „Marble Heart“ veröffentlicht und außerdem stehen noch weitere Projekte an, von denen es bislang aber nur online Hörproben gibt. Eraldo Bernocchi hat mit SIGILLUM S seit Anfang der 80er verschiedenste Spielarten (post-)industrieller Musik ausgelotet, mit rituellem (am konsequentesten vielleicht auf „Bardo Thos-Grol“) bis aggressiveren Fokus (man denke auch an seine Teilnahme an dem Projekt IUGULA-THOR). In den letzten Jahren hat Bernocchi mit Bill Laswell, Mick Harris, Harold Budd und Thomas Fehlmann gearbeitet. Zudem gründete er das Label Rare Noise Records, auf dem nun auch das Debüt der OWLS veröffentlicht wird. Der dritte Mann, Lorenzo Esposito Fornasari, der jüngste der drei, hat ebenfalls mit Bill Laswell gearbeitet und ist in zahlreichen Genre und Subkultur(en) sprengenden Projekten tätig.
Bewegt sich das Album mit dem Eröffnungstrack „Hide and Seek“ noch trotz elektronischer Elemente durch den Einsatz der Akustikgitarre im vertrauten Wakeford-Terrain, gibt „The Night Stays“ erstmals einen Hinweis darauf, wie sich das Album entwickeln wird: Schleppendes Schlagzeug (der von Labelseite lancierte Trip Hop-Verweis trifft aber nur bedingt zu), verzerrte E-Gitarren und flächige Keyboards bestimmen das Klangbild. „Come Back“ beginnt als melancholische Ballade, um dann im zweiten Teil im E-Gitarren-Gewitter unterzugehen. Das von Morsezeichen eingeleitete „The New Parade“ mag mit den Zeilen „Come join the new parade/it’s smoke and mirrors/from the cradle to the grave“ paradigmatisch für die resignative und desillusionierte Grundstimmung, die das ganze Album prägt, stehen (später heißt es in gleichem Lied: „They send you to wars you cannot win“). Auf „I am“ singt Wakeford: „I walk on broken glass/with my two broken feet/my skin is a prison/a curse is my name“ (und man kann sich fragen, ob der Titel ein bewusster Verweis auf John Clares gleichnamiges Gedicht ist, das wohl wie kaum ein anderer Text in der englischen Sprache Verzweiflung ausdrückt). „We Took the Land” beschäftigt sich explizit mit „God’s own country”, nicht mehr mit den auf dem Titelstück besungenen „Surrey Hills“: Es finden sich Verweise auf Kennedy, die CIA, die Schweinebucht und die Black Panthers. Das zurückhaltende „Strange Kind of Beauty“ hätte sicher auch auf einem Wakeford-Soloalbum veröffentlicht werden können, bevor das Album mit „All Gone“ und einem Hidden Track wieder etwas rockiger ausklingt. Dass die karge Syntax Wakefords und die Dominanz des Paarreims manchmal zu etwas vorhersehbaren Resultaten führt, sei verziehen, da „The Nights Stays“ ein in sich stimmiges Album ist, das allerdings wenig Grund zu Optimismus gibt (da kann das Lachen, mit dem das sperrige „Idiot’s Waltz“ ausklingt, nur noch als zynisch verstanden werden). Diese Eulen sind Boten, die – ob weise oder nicht, sei dahingestellt – von der ewigen Wiederkehr der Ent-täuschungen und Katastrophen, für die sich die Menschheit verantwortlich zeichnet, künden.
(M.G.)