Ein interessantes Phänomen sind sie – THE BLACK ANGELS, die sich vor drei Alben im Texanischen Austin zusammengeschlossen und nach einem Song von THE VELVET UNDERGROUND benannt haben: “The Black Angel’s Death Song”, jenes hypnotisierende Stück Monotonie vom 67er Bananenalbum, das auf noch gewagtere Experimente vorausweisen sollte. In diese Zeit zeigen auch sämtliche stilistische Wegweiser des Quintetts, das die BEATLES zu seinen Hauptinspirationen zählt, aber allem Anschein nach noch viel mehr von Gruppen wie THE DOORS und den 13TH FLOOR ELEVATORS gelernt hat.
Eine Besprechung mit Namedropping anzufangen gilt als unfair – nicht bei den Black Angels, deren Musik für psychedelischen Rock ungefähr das ist, was die Filme Brian de Palmas für das klassische Unterhaltungskino der abseitigeren Art sind: der große finale Kommentar, die nerdige Pastiche voller halbironischer Zitate und doch zugleich eine leidenschaftlich vorgebrachte Hommage an bessere Zeiten. Somit sind sie (trotz Schlagzeugerin) auch ein bisschen das Gegenteil der Velvets, die ja bekanntlich spätestens seit Punk und Wave als ihrer Zeit weit voraus galten. Aber das macht nichts. Auf ihrem aktuellen großen Wurf „Phosphene Dream“ sind die Black Angels vor allem rasant und groovig. „Bad Vibrations“ ist zweifellos gleich schon der Hit des Albums und beschwört die kraftvolle Seite der wiederbelebten Referenzära herauf. Diverse Rhythmuswechsel und der retro-proto-punkige Sound sind das Gegenteil von langweilig, und erst recht von Friede, Freude, Händchenhalten und jeglicher Blumenkinderattitüde aus dem Bilderbuch für Nostalgiker. Die bösen Vibes tragen vielmehr dem finsteren Bandnamen Rechnung und erschaffen eine hartgesottene Atmosphäre schäbiger Backsteinfassaden, zwischen denen sich hippiesk übersteigerte Noir-Szenen abspielen – irgendwie „music for gangsters and lovers“, wenn nicht ein gewisser BAIN WOLFKIND dieses Label schon für sich reserviert hätte. Fliegen einem am Ende die Hi-Hats nur so um die Ohren, dann ist das natürlich vor allem große Show, ebenso konsumgerecht aufgearbeitet wie die Sogwirkung in der recht poppigen Rhythm and Blues-Nummer „Sunday Afternoon“ und im entrückt monotonen „Yellow Elevator #2“. Oder dem Titelstück, das mit seiner zittrigen Elektronik und dem abgehobenen Klaviergezirre erneut ein Hohelied auf frühere Zeiten anstimmt. Bei all dem betonen die Black Angels aber vor allem die Rock’n Roll-Seite des Psych Rock, hinter der experimentierfreudige Klangbasteleien zurückstecken müssen, ohne freilich vollends ins Hintertreffen zu geraten. Setzen beim Titelsong erst einmal die ausladenden Rhythmusornamente ein, dann könnte man es glatt für ein überarbeitetes Dokument von damals halten, denn streckenweise demonstriert nur die Soundgestaltung, dass es sich eigentlich um Retro-Psychedelia handelt.
Ich spare mir tiefer gehende Ausführungen über das spacige Covermotiv und die Frage, was die Texaner sich denn wohl „eingeworfen“ haben (wäre auch voll 90er), und schließe lieber wieder mit Namedropping – 2010 ist ein verdammt guter Jahrgang für Psych Rock unterschiedlichster Art. THE DEAD WHEATER und die vor Kreativität überschäumenden BLACK MOUNTAIN lassen sich jeweils auf ihre Weise von BLACK SABBATH, JEFFERSON AIRPLANE und LED ZEPPELIN inspirieren, SABBATH ASSEMBLY formieren sich zu Ehren von Process und nehmen ein Album voll mitreißender religiöser Hymnen auf, und GRAILS dröhnen auf Vinyl was das Zeug hält. SEVEN THAT SPELLS spannen ihre Fans seit längerem auf die Folter, und ELECTRIC WIZARD lassen uns dem November entgegen fiebern. Jede dieser Bands verdient ein eigenes Kapitel im Psych Rock-Jahr 10, dem die Black Angels ganz maßgeblich ihren Stempel verpasst haben (U.S.)