Das Schlagstrom-Festival ist eine Berliner Konzertreihe, die sich verschiedenen Spielarten elektronischer Musik widmet und alten Szeneveteranen und Newcomern die Möglichkeit gibt, sich die Bühne zu teilen. Innerhalb der elektronisch erzeugten oder zumindest bearbeiteten Musik ist so ziemlich alles möglich, ein weiteres Kriterium ist natürlich die Attraktivität der meisten Acts für schwarzgekleidetes Publikum jedweder Art, also eher Elektro als Electro, um es auf die Korinthentour zu sagen.
Was selbst einen Elektrobanausen wie den Verfasser dieser Rezension zum diesjährigen Schlagstrom locken konnte, war u.a. ein Auftritt von Steven Stapleton und Andrew Liles, die – mit David Tibet im Schlepptau – ein kraftvolles Dreiviertelstunden-Set zum besten gaben, das überwiegend exklusiv war, aber auch einige CURRENT 93-Zitate in petto hatte. Gelohnt hatte es sich, die beiden Haudegen in Aktion hinter ihren Turntables zu sehen, und die dronig-noisige Breitseite, die sie zum besten gaben, ließ auch nach der kurzen Darbietung keine Wünsche mehr offen. So ungewöhnlich Tibet auf einem Elektro-Konzert auch wirken mag, seine zwei kurzen Gastauftritte begeisterten durchweg, und das Gros des Publikums starrte wie elektrifiziert auf die Bühne, als er mit der bekannten Koboldstimme seinen „Maldoror“ intonierte. Da das Festival auf zwei Bühnen verteilt war, konnte man unmöglich alles mitbekommen und wollte das vielleicht auch gar nicht. Zu den Highlights des ersten Abends zählten weiterhin die (sich personell überschneidenden) Klangbastler von KUNST ALS STRAFE und MERCYDESIGN, die jeweils gute Konzerte gaben, auch wenn ich mir bei letzteren gewünscht hätte, die Abmischung wäre den einzelnen InstrumentalistInnen an Cello, Saxophon, Akkordeon und Singender Säge noch etwas gerechter geworden. Aber es war ja ein Elektro-Festival, vielleicht passte es dann ganz gut, dass eher die elektronischen Aspekte zur Geltung kamen, und die konnten sich allemal hören lassen.
Insgesamt war viel Herumlaufen angesagt, die Performance von N.U.Unruh (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN), die auf einem Loop aus LIAISON DANGEREUSES’ „Los Ninos del Parque“ und einem mit allerlei Schlaggeräten bewaffneten Publikum basierte, zog sich für nicht Mittrommelnde ohnehin etwas in die Länge, und der Rest war wie so oft Geschmackssache. Also das übliche – Bekannte treffen, Smalltalk, am Merchandisestand die eigene NWW-Sammlung aufstocken und ja – eine Promo namens „Schlagstrom Vol. 5“ entgegen nehmen. Um diese nun angemessen würdigen zu können, müsste man idealerweise ein alter Noise- und Elektrohase sein. Da dies nicht der Fall ist nun das ganze im Schnelldurchlauf: Unter den rund fünfzundsiebzig Minuten voller Licht und Schatten findet sich verzerrt Analoges (SKRODER), natürlich einige Vertreter des sogenannten Rhythm’n Noise, was für mich als Banausen immer so etwas wie ESPLENDOR GEOMETRICO auf Vollgas bedeutet (WINTERKÄLTE, SONAR, EUCLID), Tanzbares für Bodystyler der alten und natürlich besseren Schule (PORTION CONTROL), jede Menge vertrackter Beats (WIEROLYB, TWINKLE, YURA YURA), Erhabenes aus der Ambientecke (JOB KARMA), und zuguterletzt ein paar experimentelle Klangkollagen mit allerhand schrägen Sounds (KUNST ALS STRAFE, HAVBLIK AUDIO, SUDDEN INFANT).
Wer also auf tanzbare Elektronik steht, und dabei auch schon mal über den Tellerrand schaut, der dürfte hier auf jeden Fall etwas für seinen Geschmack finden, ein Großteil der Beiträge soll zudem exklusiv sein. Stapleton und Liles sind nicht vertreten, und irgendwie hätte es auch nicht wirklich gepasst. (U.S.)