Im Unterschied zu einem festen und aufeinander eingeschworenen Bandgefüge gibt es in der Musikwelt immer wieder Konstellationen, die geradezu angelegt sind auf überraschende Wirkungen. Das Remixen zählt natürlich dazu, ebenso spontane Jams eigentlich unbekannter Kollegen, und nicht zuletzt auch die sogenannten All Star-Bands, die meist aus dem Umfeld eines bestimmten Labels oder Freundeskreises stammen, und sich durch den Zusammenfluss unterschiedlichster Qualitäten auf die Probe der Kompatibilität stellen.
Das vom Sänger und Gitarristen Brian John Mitchell nach einer albanischen Hafenstadt benannte Projekt VLOR ist so ein Phänomen, bei dessen aktueller CD man in exzessives Namedropping zu verfallen kann, wenn man sich an eine Beschreibung wagt. Dabei existiert der eigentliche Kern als Band schon viel länger, denn Mitchell operierte unter diesem Namen schon in den frühen 90ern, löste das damals eher dreampoppige Duo aber bald auf und belebte die Gruppe mehrfach neu unter immer wieder geänderten stilistischen Vorzeichen und mit jeweils neuem Lineup. Auf dem aktuellen Longplayer versammelt er eine ganze Reihe von renommierten Exponenten des Silber Media-Labels um sich, und stellt ein verrauscht vor sich hindröhnendes und fiependes Shoegazer Pop-Album auf die Beine, das gemessen am Puzzlecharakter der Beiträge sehr stimmig geraten ist und dabei gleichzeitig nicht wie ein Werk aus einem Guss wirkt. Den Reigen eröffnet die flämische Sopranistin und Experimentalmusikern Annelies Monseree, deren doch sehr heißeres Fiepsen mich bei „I Have Left Home“ bedingt überzeugt, vielleicht noch am ehesten wegen des Kontrastes zum monoton schleppenden Gitarrensound, der in seiner Langsamkeit weder bedrohlich noch entspannt wirken will und so in seiner Unbestimmheit Konzentration verlangt. Ich bin vor allemein Fan von Monserees Klavierkompositionen, bei ihrem Gesang finde ich, dass das Gelingen von bestimmten Melodieführungen und dem Hintergrundinstrumentarium abhängt. So überzeugt mich das entrückte A Capella „Will I See You Again“ schon deutlich mehr, ebenso ihr Duett mit Mitchell in „She Goes Out With Boys“. Zu einem im Hintergrund auf- und abebbenden basslastigen Ambientteppich tragen die beiden einen Text vor, dessen alltägliche Tragik durch die fast gemurmelt-beiläufige Vortragsweise eine Wendung ins Surreal-Artifizielle bekommt und so seine eigentliche Größe offenbart. Wenngleich die verhaltene Dröhnung den Löwenanteil des Klangbildes ausmacht, erschöpft sich der Charakter der Platte keineswegs darin. „Watch Me Bleed“ besipielsweise ist ein handfester Garagenrocksong, bei dem die Riot Girl-artigen Vocals von Magen McAvenny Lust machen, alte (aber auch wirklich nur alte) YEAH YEAH YEAHS aus der Mottenkiste zu holen, wenngleich der Refrain dann doch etwas zu sehr nach Unifeten-Beschallung klingt. Das Gros der Songs bleibt einer Midtempo-Gangart treu und dankt seinen Charakter der Keyboard-, Gitarren- und Drumarbeit von Musikern wie Jessica Bailiff oder Jon DeRosa von AARTICA. Immer wieder schaffen es kurze und weniger kurze, wohlklingende und raue Interludien, bei denen auch Streicher zum Zuge kommen, den Hörer zu bannen und laden ein, die zwischen angedeutetem Stonerrock und cinematisch anmutendem Ambient angesiedelten Soundscapes vor dem geistigen Auge zu visualisieren.
Alles in allem ein durchaus gelungenes Unterfangen, welches den Beweis erbringt, dass das Gegenteil von “kurzweilig” beileibe nicht “langweilig” heisen muss. (U.S.)