Woodland Recordings existiert nun schon seit ein paar Jahren und hat eine durchaus respektable Entwicklung zu verbuchen. Seinem Low Budget- und DIY-Gestus treu geblieben, konnte sich das Label einen eigenen kleinen Platz in der Musikszene erobern, und damit ist vor allem die britische und die deutsche gemeint. Viele der auf dem Label vertretenen Künstler verbindet eine Tendenz zum Folk oder vielleicht allgemeiner gesprochen: zum Akustiksound. Stephen Burch, der Mann hinter WR, der mit „a thing called The Great Park“ auch eines seiner Zugpferde reitet, wäre vielleicht mit der Folkklassifizierung gar nicht so glücklich, da sie Klischees bedient. Sieht man sich die jüngsten Veröffentlichungen an, dann hat sich die Ausrichtung auch durchaus ein wenig von dem Eichhörnchen entfernt, welches das Logo ziert. Vintage ja, das könnte man nicht leugnen. Doch Feld-, Wald- und Wiesen-Romantik? Schon weniger.
Der auf hundert Einheiten limitierte “Home Taping 2″-Sampler greift auf eine Reihe zurück, die vor ein paar Jahren in Leben gerufen wurde und versammelt Labelacts und befreundete Künstler. Johnny Lamb alias Thirty Pounds Of Bone eröffnet die Sammlung mit einem maritimen Song namens “Homefaring”. Lamb ist Kenner englischer Seemythen und deren Niederschlag in der Sea Shanty-Tradition, der er hier mit Schifferklavier, Galleerentrommel und falsettartigem Gesang huldigt. Natürlich dominiert Handgemachtes die Sammlung insgesamt, in recht freundlicher und wohlklingender Art bei Holly Mae and the Painted Room, die mit scharfer Stimme ihrer verträumten Musik etwas entgegen wirkt, sowie bei Lucy Parnell und dem deutschen Projekt Haruko. An den beiden Enden der Woodland-Skala stehen vielleicht Jane Bartholomew und eine Band namens The Bizarre Collection. Bartholomew spielt herbstlich anheimelnde Kammermusik, auch wenn die Stimme, die zeitweise an so unterschiedliche Sängerinnen wie Kate Bush und Alison Shaw erinnert, den einen oder anderen säuerlichen Ton beimischt. The Bizarre Collection dagegen machen ihrem Namen alle Ehre, denn sie haben in der Tat etwas von einem musikalischen Kuriositätenkabinett: Ihr Beitrag “Guinee” ist abenteuerlich abgemischt und sperrig, seine verrauschten Töne wollen vom Hörer mit etwas Mühe erobert werden. Es lohnt! Dem einfach nur Schönen verweigert sich auch Woodpecker Wooliams, die einen eindringlichen wie glasklaren Konzertmitschnitt beisteuert, mit Harfe und mädchenhaften Gesang, der für meine Begriffe etwas weniger an die frühe Joanna Newsom erinnern könnte, aber durchaus seinen Reiz hat.
Am meisten stechen für mich Songs heraus, die weder wohltuend noch schräg sind, sondern emotional aufwühlend. The Great Park selbst fällt in diese Kategorie, liefert mit “Make A Dead One Of It” ein überraschend opulentes Stück vom gerade fertiggestellten Album ab, dessen schöne Trompetenparts nicht nur ein Novum darstellen, sondern die Bitterkeit der Lyrics auch noch bestens ironisch kommentieren. Des weiteren H Gudjonsson, dessen meditativer Folk entfernt an In Gowan Ring erinnert. Ein kleines Highlight ist der Beitrag von Friend Of All The World. Mit einer Stimme, die zwischen nervöser Ergriffenheit und abgeklärter Melancholie changiert, gelingt dem Kanadier ein mitreißendes Stück Akustikpop, das Interesse an seinem Album wecken sollte.
Alle übrigens Stücke bilden Kategorien für sich, was die CD angenehm abwechslungsreich macht. Dazu gehört u.a. der einzige deutschsprachige Beitrag, der schöne Song “Dorian” von Fee Reega, der von roten Teufeln und dem Barkeeperalltag in einer Soldatenkantine kündet. Ich muss gestehen, ich brauchte eine Weile, bevor bei mir der Fee-Groschen gefallen ist. Erst nach zwei oder drei Anläufen ging mir auf, dass der Problemfolk der Sängerin viel weniger tränennass ist, als man auf den ersten Blick denken könnte, dass in ihrem sanften Timbre, ihrem zwischen Hauchen, Schreien und Tremolieren wechselnden Stil und ihrer expressiven Lyrik auch sehr viel Satire steckt. Mittlerweile gibt es von ihr Songs über Kannibalen und Exhibitionisten, sowie eine ziemlich gute Daniel Johnston-Coverversion, und wer bei diesen Songs immer noch ergriffen da sitzt und nicht mal herzhaft lacht, dem ist nicht zu helfen. Ebenfalls mit einem übergroßen Augenzwinkern stelle ich mir The Fabulous Nobody vor, der mit seiner Jazzgitarre wie Nat King Cole als Comedian klingt und doch einfach nur einen schönen Lovesong spielt, mit dem passendsten Titel, den ein Lovesong haben kann: „You!“
Die drei restlichen Acts gehen über das Songschema hinaus und betreten literarisches bzw. hörspielartige Terrain. Da wäre zunächst Mute Swimmer, bei dem erwartungsvoll stimmende Gitarren mit einem unheilschwangeren Drone verschmilzen, bis eine erdende Stimme den Raum einnimmt und den Hörer zum Innehalten bringt. Bei Allysen Callery wird die Musik zur Kulisse für ein recht sprödes, aber auch Spannung versprechendes narratives Szenario. Die Preslav Literary School fällt mit ihrem infernalischen Drone am meisten aus der Reihe. Vordergründig ein sirupartiger Soundfluss, offenbart er unter seiner Oberfläche doch einiges: eine Frauenarie zum Beispiel, zum Katzengejammer verfremdet, und allerlei wildes Gepolter. Vielleicht dasjenige Stück, das die meiste Aufmerksamkeit fordert.
„Home Taping 2“ ist eine schöne und in vielen Fällen auch eingängige Platte, die sich aber keineswegs bemüht, allen zu gefallen. Damit meine ich nicht nur, dass ein Faible für akustische Klänge und eine gewisse Anglophilie von Vorteil wären. Man sollte auch leise, subtile Töne zu schätzen wissen und Freude haben, solche zu entdecken und zu erkunden. Auch sollte die Vorstellung vom schönen Song nicht zu glatt und verschnöselt sein. Wer zu dieser Hörergruppe zählt, der könnte hier vielleicht seine Lieblingscompilation für die anbrechende Herbstzeit finden.
(U.S.)
Label: Woodland Recordings