Als Stephen Burch letzten Winter ein Album mit Neufassungen seiner bislang besten Songs herausbrachte, hatte ich schon das Gefühl, dass bei The Great Park gerade ein bestimmter Abschnitt zu Ende ging. Was die Stücke auf „Winter“ vielleicht am meisten verband, war ihr auf’s Allerwesentliche reduzierter Charakter. Überwiegend Gitarre und Gesang, zurückgenommene Melodien, zwischendurch fast Momente der Stille. Dass die Stücke an wenigen vorweihnachtlichen Tagen aufgenommen wurden, hörte man, doch es tat ihnen keinen Abbruch. Das Rohe und Raue hatte seinen eigenen Stil und schien die Essenz der Musik zu offenbaren.
Der so auf die Spitze getriebene Minimalismus schien schon darauf hinzudeuten, dass Burch im Begriff war, sich von ihm zu lösen. Diese kurzen Momente, in denen die Musik beinahe in Stille überzugehen droht, finden sich auch auf dem neuen Album “Now Wash Your Hands”. Dennoch ist der neue Longplayer das opulenteste Stück The Great Park seit den frühen Tagen der Band, denn diesmal griff Burch wieder auf tatkräftige und vor allem vielfältige Unterstützung zurück. Erstmals mit von der Partie sind Volker Hormann und Dea Szücs, beide Mitglieder beim Solistenensemble Kaleidoskop, einem innovativen Berliner Kammerorchester, die Cello und Violine beisteuerten und in deren Umfeld das Album auch produziert wurde. Ebenfalls neu im Boot ist Stefanie von der vierzehnbeinigen All Girl-Combo Vivian Void, die Backing Vocals beisteuert. Johny Lamb (Trompete) von der Band Thirty Pounds Of Bone und vor allem Fee Reega (ebenfalls Backing Vocals) sind regelmäßige Besucher des großen Parks und auch diesmal wieder mit dabei.
Ein Leisetreter ist Burch nie gewesen, da mögen seine Folkballaden noch so sanft anmuten. Er neigt zum Sarkasmus, was auf Konzerten ganz unterhaltsam sein kann, auch zum unverblümten Aussprechen extremer Gefühle. Hinter jedem noch so schönen Akkord könnte sich ein kleiner Abgrund verstecken, hin und wieder auch ein großer, und selbst wenn es keine Abgründe sind, so scheint ihm Dramatik stets lieber zu sein als dezente Stimmungsbilder. Auf “Now Wash Your Hands” fällt er gleich mit der Tür ins Haus, denn die Sammlung beginnt gleich mit einem ihrer Höhepunkte. “Lover O Lover” ist eines der schmissigsten Stücke, die Burch je aufgenommen hat, und kaum so unbekümmert wie andere schnelle Nummern der Band. Es reißt mit, dank der Lyrics, der bitter euphorischen Melodie, aber auch weil die einzelnen Instrumentalparts bestens interagieren: fetzige Gitarre, Drums, Cello usw. Großartig sind die himmelhochjauchzend ironischen Geigen, die das Melodrama parodieren, das der Song zunächst verspricht, um es dann die Zunge herausstreckend zu verweigern.
Dieses Bittere findet sich in vielen der Songs, auch wenn man ihnen das nur selten direkt anmerkt. Viele von ihnen sind im Schnitt absurde Geschichten über Dinge, die im Leben schief gehen können – über die Schwierigkeit, sich wirklich zu kennen, über Dinge, die nicht passen, die man nicht halten kann. „I turned around without saying hello“ endet „Jake“, und in all dem ist auch „Now Wash Your Hands“ nach wie vor unbeschönigender Winter Death Folk, bei dem der Alltagsmensch zum Sinnerman aus dem berühmten Spiritual werden kann: “You can run where you like but the simple life it will find you”. Schön ist dabei allerdings, dass das lyrische Ich nicht bloß die Welt und ihre Dinge anklagt, sondern sich selbst in all dies mit einbezieht, das „I do wrong“ noch immer auf seiner Fahne stehend: „I was cruel when I could be and kind when I had to be, taking as much as good folks would allow“ heißt es in „Lover O Lover“, ferner „I know it’s not true, but what can one do with a lie but tell it“. Schön aber auch, dass The Great Park nach wie vor keine Musik für Trauerklöße spielt. Die großartige Melodie von „Jake“, die osteuropäisch anmutenden Gypsie Tunes in „Blood“ und überhaupt die üppige Instrumentierung fast aller Songs füllt die Platte mit Leben. Gerät die Musik besonders schön, dann kann diese Fülle ironisierend wirken – so beispielsweise bei dem netten Akkordeon und dem Glockenspiel in „Key“ oder den feierlichen Trompetenparts von „Make A Dead One Of It“: Das nicht abgeklärt wirkende bringt die Abgeklärtheit umso mehr zum Ausdruck. Natürlich gibt es auch Stellen, bei denen die schwarzhumorige Fassade einstürzt und der Sänger in aller Direktheit Imperative wie „Give it up old man“ shoutet – ganz im Einklang mit den übergroßen Drucklettern, die das Cover zieren.
Sucht man Direktheit, so wird man sie vor allem im zentralen „Song for no one“ finden, der für mich so etwas wie das Herzstück des Albums darstellt. Seine erste Zeile negiert den Titel des Albums, oder bestätigt ihn, da er ja „for no one“ ist. Aber er verweigert auch in jeder Hinsicht die typische Ironie, die bei The Great Park meist schon an der Oberfläche existiert, und zielt als Song über das Festhalten direkt auf’s Wesentliche – in seiner emotionalen und zum Teil fast sentimentalen Bildwahl, in seiner brüchigen Stimme und seinen reduzierten Akkorden. Ohne dieses Stück, dass in vielerlei Hinsicht das Gegenstück zu den anderen Songs ist, wäre der Rest nur eine Sammlung schöner Lieder, so ist das Album eine runde Sache.
Es gibt heute eine Menge akzeptabler Musiker, die mit der Klampfe durch Bars und Cafés tingeln und nebenbei ein paar CDrs in Eigenregie produzieren, doch die meisten verschwinden so schnell von der Bildfläche, wie sie erschienen sind. Ob es an der Inspiration oder am Selbstvertrauen liegt, irgendetwas ist nicht stark genug, die kreative Ambition gegen die Erfordernisse und die Langeweile des Alltags zu behaupten. The Great Park gehört zu denen, die sich nicht nur behaupten, sondern ihre Errungenschaften Stück für Stück ausbauen, auch ohne große Labels im Rücken. „Now Wash Your Hands“ sollte ihm dafür ein gutes Stück mehr von der verdienten Anerkennung verschaffen. (U.S.)
Label: Woodland Recordings