Erwartungsvoll stimmende Glocken, ein episches Keyboard, die ätherische Stimme einer Sängerin. Mit einem solchen Fantasy-Szenario beginnt „Celestial Lineage“, das neue Werk der amerikanischen Band Wolves in the Throne Room. Nachdem „Black Cascade“ vor rund drei Jahren vor allem ein infernalisches Gewitter aus Blast Beats und höllischem Gekeife sein wollte, knüpft die aktuelle Arbeit in Sachen Diversität wieder an „Two Hunters“ an, mit dem die Gruppe erstmals auch jenseits einschlägiger Subkulturen von sich reden machte und den Grundstein zu einem viel diskutierten Image legte. Ist die Band um die Weaver-Brüder, die im amerikanischen Bundesstaat Washington einen kommunenartigen Biobauernhof betreiben, eine Black Metal-Band, die neben dem Verzicht auf typische Elemente der Szenenattitüde noch auf einen sehr breiten stilistischen und thematischen Rahmen setzt? Oder hat man es doch eher mit einer nicht genau definierten Band zu tun, die neben einer Vielzahl anderer Einflüsse eben auch sehr viele Black Metal-Zitate integriert? Wie man diese Frage beantwortet, hängt sicher davon ab, wie eng und formalistisch man gewisse Stile definiert, ihre schwere Beantwortbarkeit macht die Gruppe interessant. Ebenso schwer zu beantworten ist die Frage, welche der oft in die Diskussion geworfenen Positionen trivialer ist – die Vorstellung etlicher klugscheinender Neueinsteiger, die Wolves hätten auch wirklich jedes BM-Rad neu erfunden und wären die erste Stilgrenzen überschreitende Band dieser Art. Oder doch eher die Ressentiments ewig gestriger Puristen gegen die vermeintliche Trendyness einer Gruppe, die lediglich ihre Leidenschaft für wilde Rasereien und besinnliche Momente mit einem Interesse sowohl an archaischen Naturmythen als auch an Theosophie und aktuellen Umweltfragen zu einem recht originellen Gesamtbild verdichtet.
Der Rezensent ist kein Kenner solcher Musik, aber durchaus ein Infizierter, der seit „Two Hunters“ das Geschehen um die mittlerweile personell abgespeckte Band verfolgt und auch von „Celestial Lineage“ überzeugt ist, das zusammen mit den oben genannten Vorgängeralben eine Trilogie bildet. Beim oben genannten Szenario bleibt es natürlich nicht, vielmehr kommt der eröffnende Track „Thuja Magus Imperium“ trotz seiner Länge von über zehn Minuten recht schnell in Gang, das Stück braucht nicht lange, bis infernalische Beats und die vom letzten Album bestens bekannten Powerchords die Ambient-Kulisse ablösen. Der Gesang von Jessika Kenney, der vor ihrem Gastspiel bei Sunn O))) schon auf früheren Songs der Wolves zu hören war, wird vom entmenschlichten Geschrei Aaron Weavers abgelöst, mit dem er bestens kontrastiert. Das Resultat ist so kraftstrotzend wie offen, denn es bleibt der Intuition des Hörers überlassen, darin Nihilismus oder doch eher etwas Befreiendes gespiegelt zu sehen. Insgesamt ein episches und episodisches Stück, bei dem nach vorn preschende Abschnitte sich mit Ruhephasen abweschseln wie heftiges Unwetter mit sanftem Nieselregen. Überraschende Momente wie ein nach Seventies klingendes Gitarrensolo kommen hinzu.
Abgesehen von zwei kurzen Interludien folgen die meisten Songs dieser Variante des Laut/Leise-Schemas, „Subterranian Initiation“ stellt die BM-Aspekte am stärksten in den Vordergrund. Der Klang ist verrauschter, auch hier gibt es abrupte Tempowechsel und statische Passagen als Ruhepunkte vor dem nächsten Losbrechen ungezügelter Energien. Ein Gegenpol zum rauen Metalsound sind melodische Keyboardpassagen, die Heroisches anklingen lassen – sie wirken hier und da etwas vorhersehbar und sind vielleicht das trivialste Element, bis alles in einem strudelhaften Abgrund versinkt. „Woodland Cathedral“ ist mit seinem merkwürdigen Rauschen und Dröhnen vielleicht das experimentellste Stück. Hier ist wieder Kelleys sakral klingende Stimme zu hören, die mit düsteren Orgeln und manipulierten Gitarrensounds kontrastiert. Klischeehaft würde man ihre Stimme vielleicht „heavenly“ nennen, was aber im Albumkontext gar nicht banal klingen muss, in dem das Himmlische („Celestial“) permanent mit dem Unterirdischen („subterranean“) und anderen versteckten Dingen in Bezug steht, wo sich die wilde Jagd übers Firmament mit geerdeten Szenen abwechselt: In (und schon im Titel von) „Astral Blood“, dem kernigsten Stück des Albums, unterbrochen durch ein verträumt pastorales Harfensolo, oder beim finalen „Prayer of Transformation“, das sich sehr langsam aufbaut und trotz seiner lärmigen Natur mit dem Ausbruch eher spielt als ihn wirklich zu vollziehen.
Wolves in The Throne Room sind keine Einzelerscheinung, sie stehen in unterschiedlichen Traditionen wie der des Black Metal allgemein und einer speziell amerikanischen Ausprägung, die mit Gruppen wie Weakling ihren Anfang nahm und bereits Bands wie Xasthur, Leviathan und Velvet Cacoon hervorgebracht hat. Mit ihrer kämpferischen, aber niemals von banalem Hass erfüllten Stimmung und ihrer eigenwilligen Themenmischung erschaffen sie aber ebenso sehr eine Welt für sich. Wer bei „Celestial Lineage“ Feuer fängt, sollte sich gleich die ganze Trilogie zu Gemüte führen (U.S.)
Label: Southern Lord