LITTLE ANNIE & THE SUN TANGERINE: How Could You?

Anne Bandez hat in den letzten Jahren vor allem mit dem Pianisten Paul Wallfisch musiziert und zwei fulminante Alben unter die Hörer gebracht – wer heute von souligen Torch Songs redet, der sollte das Duo nicht unerwähnt lassen. Nur war sie seit jeher eine Person, die auf vielen Hochzeiten tanzt, und so kommen auch andere Kollaborationen nicht zu kurz. Nach Gesangsbeiträgen für die Band Larsen und Auftritten mit Baby Dee begibt sie sich mit dem Berliner DJ Khan und seinem Sun Tangerine-Projekt auf eine interessante Zeitreise.

Zeitreise soll in dem Zusammenhang nicht auf ein Retrokonzept oder ähnliches hinweisen, sondern ist eher als werkgeschichtliche Referenz zu verstehen, denn die vier Versionen des Stücks „How Could You?“ schlagen den Bogen zu älteren Aufnahmen, bei denen Annies (Sprech-)Gesang im Zentrum grooviger Electronica stand – primär zum zwischen House und Dub angesiedelten Album mit The Legally Jammin, aber auch zu noch früheren Arbeiten im Umfeld von Adrian Sherwood und On-U Sound. Textlich ist Annie auf ihren Songwriteralben niemals bieder, aber stets charmant. Auf der aktuellen EP demonstriert sie, dass sie beim Umreißen von Fragen der Befindlichkeit durchaus die hohe Kunst des Naserümpfens beherrscht und entwirft dabei ganz beiläufig ein Weltpanorama wie seinerzeit im fast enzyklopädischen Intro von „Freddy and me“. Wer Annie kennt, der weiß, dass ihr Sarkasmus Inszenierung und Stilmittel ist, wer sich in ihre Tirade über Schnelllebigkeit und billige Posen hineinfühlt, der mag ihr beipflichten und fühlt sich vielleicht an ihre Hipster-Schelte in „Cutesy Bootsies“ erinnert. Fast wirkt der Text wie ein Ausschnitt aus einer Theaterperformance, wie der Höhepunkt eines Dialogs, bei dem die Sprecherin einem unsichtbaren Gegenüber illusionäre Flausen austreibt.

Die nonchalanten Grooves der auf Hall getrimmten Musik passen sehr gut zur coolen Stimme und den abgeklärten Lyrics, beim „Khan Mix“ ist der Klang zunächst recht klar und aufs Wesentliche reduziert. Dezente Dub-Elemente steigern sich von Track zu Track, sind beim elegant tänzelnden „Khan Dub Mix“ natürlich unüberhörbar und entfalten sich beim „Zero Cash Mix“ zu einer eigenen Größe. Bei dieser Version wurde (dem Titel entsprechend, könnte man sagen) viel heraus geschnitten und durch melodramatische Synthiestreicher ersetzt, die das karge Soundgerüst wie kleine ironische Kommentare aufhübschen. Der abschließende „Original Mix“ ist betont rau, spielt mit den Erwartungen des Hörers. Man meint, jeden Moment ein Inferno an Breakbeats losbrechen zu hören, doch die Monotonie behauptet sich bis zum Ende.

Die EP erscheint digital auf einem von Khans zahlreichen Labels und hätte es keineswegs verdient, in der Masse an Download-Veröffentlichungen unter zu gehen – schön zu wissen, dass Torch Singer Annie immer auch noch Dub Diva ist. (U.S.)

Label: I’m Single/Zero Inch