Ob 200 Years als ein langfristiges oder eher als einmaliges Projekt gedacht ist, steht wohl noch in den Sternen. Ben Chasny hat sich nie nur auf seine Band Six Organs of Admittance konzentriert, sondern mit Gruppen wie Comets on Fire und August Born stets interessante Nebenschauplätze gepflegt. Dazu kamen Gastspiele u.a. bei Hush Arbors oder Current 93, bei denen er mit seinem Gitarrenspiel die eine oder andere Spur hinterließ. Mit der Sängerin Elisa Ambrogio von den Magik Markers arbeitete er bereits auf einem Six Organs-Album zusammen. Mit 200 Years wurde jüngst das gemeinsame Projekt der beiden aus der Taufe gehoben.
Wer mit dem erdigen, basslastigen (Quasi-Noise) Rock von Elisas Stammband vertraut ist und sich bei ihrem Debüt mit Chasny vielleicht so etwas wie eine psychedelischere Variante davon vorgestellt hat, muss allerdings auf Überraschungen gefasst sein, denn das überwiegend auf Gesang und akustischer Gitarre aufgebaute Klanggerüst ist nicht nur äußerst reduziert, sondern atmosphärisch meilenweit entfernt vom meist treibenden, espritgeladenen Vitalismus der Markers. Die Musik von 200 Years kommt im Flüsterton und auf Zehenspitzen daher und setzt vor allem auf schlichte Melodien, denen nicht selten etwas Geheimnisvolles anhaftet – „Wild Wind“, das Eröffnungsstück, würde ich jedem Cat Power-Fan ans Herz legen, der eine Schwäche für Alben wie „The Greatest“ hat. Das heißt unter anderem, dass die Melodik nie ins Sentimentale kippt, allerdings um den Preis, dass man ein wenig Markanz vermissen könnte. Das Spiel auf den locker gespannten Saiten wirkt oft improvisiert und fast beiläufig und ist der offenkundigste Querverweis zu Chasnys bekannteren Aufnahmen, die niemals so sehr „Indie“ waren wie hier. Bei „West Hartford“ ist auch seine Stimme kurz zu hören, die zusammen mit einem dezenten Cello die Basis für Elisas unmanirierten Stimmvortrag bildet. Wenn ihre Stimme sich bisweilen in unerwartete Höhen empor arbeitet, ergeben sich sogar überraschende Moment der Rührung.
Viele der recht roh belassenen Song wirken vom Grundgerüst her wie Fingerübungen, ihre Unbekümmertheit strahlt Leichtigkeit aus, aber auch etwas Schlafwandlerisches, Tristes – alles bei hellem, suburbanen Tageslicht wie im Clip zum Song „Solar System“, der bezeichnenderweise die Schwerelosigkeit besingt. Neben Stücken wie „Through The Trees“, bei denen Wehmut für mehr Markanz sorgt, fallen besonders die Songs auf, bei denen das minimale Schema durch weitere Instrumente dezent erweitert wird. „Partyn Wayz“ fußt auf einem einlullenden Harmoniumdrone, eine urige B-Movie-Orgel konterkariert die Alltagskleinigkeiten aus dem Text von „Thread“, in „City Streets“ ist neben einer elektrischen Gitarre auch Elisas geloopte Stimme im Duett mit sich selbst zu hören, ein Kunstgriff, der gerade deshalb Wirkung zeigt, weil sie ihn nur punktuell einsetzt.
Irgendwo zwischen der verdrehten Urtümlichkeit von Six Organs und der Coolness der Magik Markers muss es einen Ort geben, den man am besten eher zufällig findet und mit Geduld erschließt. Bislang hat mich die leise, filigrane und immer etwas spröde Musik noch nicht wirklich erreicht, aber vielleicht ist das auch einfach eine Frage der Zeit. (U.S.)
Label: Drag City