Wie stellt man jemandem Sewer Goddess vor, nachdem man das Projekt in den ersten Jahren seines Bestehens sträflich vernachlässigt hat? Man könnte sich in der Erörterung von Genrezugehörigkeiten ergehen, von Power Electronics, Death Industrial und dezenten Black Metal-Einflüssen sprechen – Aspekten die omnipräsent sind in der Musik, im Auftreten und im visuellen Erscheinungsbild der Band, die man so gerne mit Frontfrau Kristen Rose gleichsetzt, zu der aber auch noch Josh Langberg gehört. Natürlich könnte man auch einmal mehr die Tatsache, wie wenige kreative Musikerinnen doch die Männerdomäne harter elektronischer Musik bevölkern, aus der Mottenkiste holen. Dass die Shouterin mit ihren Vocals so etwas wie die Riot Girl-Attitüde auf die Spitze treibt und gleichsam ad absurdum führt, würde den Kern der Sache schon eher treffen. Im Bezug auf die zwei gelegentlich hervorgehobenen Vergleichsmomente Hecate und Rosemary Malign bleibt nur zu sagen, dass Sewer Goddess weder cartoonhaft ist, noch zwanghaft versucht, was vor mehr als dreihundert Jahren zwischen den Mauern der französischen Bastille schon besser gelang – der conditio humana in letztlich vorhersehbaren Ambivalenzen die Schablonen seiner wahren Fratze entgegen zu halten.
Das Live-Album „Disciples of Shit“ enthält Ausschnitte von Auftritten, die vor zwei bis drei Jahren mit einer um Schlagzeug und Gitarre erweiterten Besetzung im Nordosten der USA stattfanden, und ist eine eher untypische Platte. Spötter könnten sie als Dokumentation einer Rockshow bezeichnen, und in der Tat fällt die Differenz zwischen dem recht anspruchsvollen Breitbandsound und den zurückliegenden Studioalben, die schon vom Klang her derb und filthy waren, unmittelbar auf. Andererseits ist die „authentische“ Dokumentation von reinen Noisekonzerten ohnehin nur bedingt relevant, und dass es der Band gelungen ist, einiges von den destruktiven Sounds und der anfallartigen Agressivität der Studioaufnahmen herüberzuretten, macht die Platte dann doch zu mehr als einer diskografischen Zugabe. „Condemned is the unborn one“ beginnt zunächst beschwörend mit perkussiven Analogsynthies, baut sich langsam und mit drohender Behäbigkeit auf, Gitarrenklänge mischen sich mit schrägen Gurgelsounds und sorgen für einen verwickelt melierten Klang. Von rauen Riffs begleitete Megaphon-Vocals markieren einen ersten Höhepunkt, doch nach wie vor hat man das Gefühl, sich kurz vor einem Knall zu befinden. Der findet dann, auf dem ruckartigen Höhepunkt von purem Lärm und irrem Geschrei, auch statt.
Ich hebe das Stück hervor, weil es von der Stimmung und vom Aufbau her viele Qualitäten des Albums im Kleinen enthält. Manche Aufnahmen betonen das reine Chaos, so wie das entfesselte “We Are Their Eyes”, bei dem die beckenbetonten Drums so gekonnt mit Rhythm Noise verschmelzen, dass es auch einer futuristischen Jazzcorecombo das Fürchten lehren könnte. Andere, wie das bedrückende “Mother Agony”, betonen die Schwere des aktuellen Sewer Goddess-Sounds – der langsam pulsierende Rhythmus erinnert an letzte Herzschläge unter einer alles zerdrückenden Felswand. Doch das Pulsieren behauptet sich wider Erwarten und mutiert zum Stakkato, begleitet von allerlei wild durcheinander gewirbeltem Klangschutt. Das längere Doppelstück “Chained to the Edge of Existence/A Lifeless Dreaming” baut sich sehr langsam auf und gipfelt in den extremsten Schreikaskaden des Albums, begleitet von ekstatischem Trommelwirbel. Es betont die Metalaspekte der Band und ruft Erinnerungen an Ausnahmeerscheinungen wie die schwedischen Abruptum wach, bevor das harshe „Slavepiece” alles in Auflösung enden lässt.
Das Gefühl, dass im Verlauf der Musik Strukturen immer mehr im und mittels Lärm aufgelöst und zerbröselt werden, ist nicht nur eine Eigenschaft, mit der man Sewer Goddess im größeren Noise- und Post-Industrial-Rahmen rubrizieren und gegenüber denjenigen Genrevertretern abgrenzen kann, bei denen Krach eher konstuktiv funktioniert und im Aufbau markanterer, härterer Formen resultiert. Die typische Herunterspül-Atmosphäre ist auch das verbindende Element zu Studioaufnahmen der Band, und hat man dies erst einmal entdeckt, erscheint einem der musikalische Sprung längst nicht mehr so radikal.
Label: Black Plagve