TORTURING NURSE VS. GOVERNMENT ALPHA: Split

Auf dieser lakonisch „Split“ genannten Doppel-CD treffen zwei gestandene Größen fernöstlicher Lärmkunst aufeinander. Der japanische Harshnoiser Yasutoshi Yoshida alias Government Alpha wurde hier bereits mehrfach vorgestellt, Torturing Nurse ist eine vierköpfige Band aus Shanghai und sicher die bekannteste Noisekapelle der Volksrepublik China. Bekannt sind sie unter anderem für wütende Liveshows, die an Hijokaidan denken lassen, für ätzendes Gitarrenfeedback und eine visuelle Gestaltung, die gern mit Motiven spielt, die in weniger abgeklärten Zeiten als provokativ galten. Es ist nicht das erste mal, dass dieser Austausch zwischen Tokio und Shanghai stattfindet, und das simple wie durchschlagende Konzept scheint sich zu bewähren. Brutales japanisches Noisehandwerk trifft auf Unberechenbarkeit und – Achtung Klischee – Transgression aus der Stadt der Global Player. Was beide Projekte verbindet, ist die Lust an der unvermittelt eruptiven Klanggewalt und am Schrei.

Dem Eindruck nach ist die Vorliegende 2CD die Persiflage eines Konzeptalbums, und selbst das im ganz basalen Sinne, wie es der unverquasten Direktheit der Akteure entspricht: Dunkle Leidenschaften, ganz kurz angeschnitten – so oder schlimmer ließe sich der thematische Rahmen grob fassen, und dass man um die Musik keine allzu großen Worte machen muss, ist keinesfalls abwertend zu verstehen und spricht im Harsh Noise ohnehin meist für die Sache. Auf der ersten Seite tobt sich die jüngere Gruppe (Torturing Nurse ging 2004 aus diversen Experimental/Post Punk/No Wave-Bands hervor) auf knapp hundert Noisefragmenten aus, die erwartungsgemäß in keinem Fall die Minutengrenze erreichen. „95 Songs of Sin“ bietet schrille Feedbacks, ultraverzerrte Schreikrämpfe, Brüche, die wie der Auftakt zu einem (selbstredend verweigerten) Breakcore-Stück anmuten, und wenn es etwas Konsequentes gibt, dann dass die Band durchweg an-archisch (un-beherrscht) zu Werke geht. Und natürlich der Tick mit der Kürze der Stücke, die immer ganz unvermittelt enden – so ähnlich müssen sich einst die Psychoanalyse-Patienten bei Jacques Lacan gefühlt haben, der aus therapeutischen Gründen seine Sprechstunden oft schon nach Minuten abrupt abbrach (einige Patienten brachten sich um). Ex negativo brachte Mastermind Junky Cao sein Konzept mal in einem lustigen Interview auf den Punkt: „I hate all kinds of rhythm and melody!“ Und Dauer hasst er im Moment wohl ganz besonders.

Auch die von Government Alpha unter dem Titel „32 Souls With Dark Desire“ bestrittene Seite zeichnet sich nicht gerade durch komplexe Rhythmik, melodische Vielfalt und epische Längen aus. Etwas mehr klangliche Varianz und Entwicklung, raue, flächige Sounds, die einem wie eine Splitlawine entgegen prasseln, deutlicheres Gebrülle. Eben Government Alpha, wie man ihn kennt und hören will. Und auf gewisse Weise löst er auch ein, was die erste Seite nur verspricht, nämlich das eine oder andere Noisebad, in das man für ein oder zwei Minuten abtauchen kann. Dass Yoshida auch als bildender Künstler und Illustrator einiges vorweisen kann, belegt die optische Gestaltung, für die zwei seiner gelungensten Kollagen Verwendung fanden. (U.S.)

Label: Xerxes