SIX ORGANS OF ADMITTANCE: Ascent

Die mit Psych Folk nur unzureichend klassifizierten Six Organs Of Admittance gehören zu den Bands, die es in verschiedener und vor allem verschieden starker Instrumentierung gibt und die mal im rockigen, mal im akustischen Klanggewand antreten. Zuzüglich sämtlich denkbarer Zwischenstufen. Ben Chasny, Mastermind des Projektes, spielt nebenbei eine ebenso wichtige Rolle im Gitarrennoise-Trio Comets On Fire und ließ beide Gruppen schon mal kurzerhand für eine Konzerttour fusionieren, und doch waren Six Organs dabei immer noch Six Organs. Nach den zwei eher lofi-orientierten Alben, die auf das airplaytaugliche „Shelter from the Ash“ folgten, hat Chasny die Comets nun auch ins Studio geholt, und ein Album in Rockbesetzung eingespielt, mit dem man derzeit weniger gerechnet hätte.

Allen, die Chasnys Indie-Tristesse in 200 Years mochten oder auch Fans seiner filigranen Gitarrenparts in Current 93s „Black Ships Ate The Sky“ waren, möchte ich fast ein lautes „Schweinerock-Alarm“ zurufen, wobei man das erste Stück (mir gefällt es ausgezeichnet) auch einfach als Hürde betrachten kann. „Waswasa“ fällt mit der Tür ins Haus, die Band hat Spaß beim Spielen, man hätte ein Doomstück draus machen können, wären die Riffs etwas langsamer gespielt, so ist es einfach lupenreiner Hardrock, bestens zum Abfeiern geeignet. Das hat wenig bis nichts mit z.B. der eher folkigen ersten Seite von „The Sun Awakens“ gemein, und hätte mir das vor Jahren jemand als Six Organs präsentiert, hätte ich es erst einmal nicht geglaubt. Auch die sprachlosen Vocals, die irgendwann zur Mitte kurz einsetzen, begleitet von altbackenen Gitarrensoli, ändern daran nicht viel. „Close to the Sky“ schaltet in der Hinsicht erst einmal zwei Gänge zurück und ruft zugleich in Erinnerung, dass es hier um den Aufstieg, das Abheben in Richtung „Space“ geht. Merklich akustischer mit Rasseln und Zupfen im Hintergrund produzieren Riffs und Soli eine sehr schöne Melodie zwischen Scifi und Sixties Psychedelia. Alles klingt sehr amerikanisch, könnte irgendwann zwischen Nacht und Morgengrauen in einer versteckten Bar entlang eines verlorenen Highways entstanden sein.

Das Indische scheint aus der Musik verschwunden zu sein, doch eine leicht krautige Verschachtelung stellt sich ein, bevor liebliche Figuren in „They Call You Near“ überleiten. Das wirkt dann auch endlich etwas derangierter und aufgelöster und erinnert mit seinen hallunterlegten und zugleich in den Hintergrund gemischten Vocals stärker an frühere Aufnahmen wie „Dust and Chimes“. Die mystische Atmosphäre weckt Assoziationen zu okkulten Gruppierungen, die Interplanetarisches in ihre Vorstellungen von der Menschheitserneuerung mit einbeziehen. Eines der besten Six Organs-Stücke, auch nach Maßstäben ihrer bekannteren Sachen.

Kurze, verträumte Zwischenspiele und kernige Rocknummern prägen den Rest von „Ascent“, der stufenweise Aufbau der Stücke und Chasnys Soli, die fast jeden Drumeinsatz pflichtbewusst begleiten, sind ein ebenso roter Faden wie die Thematik. Das bereits als Single ausgekoppelte „One Thousand Birds“ verkörpert das vielleicht am stärksten, ich gebe jedoch dem jamartigen „Even If You Knew“ den Vorzug – monotone Riffs, seltsame Folkeinsprengsel und verselbständigte Instrumentalparts, bei denen man zunehmend das Gefühl bekommt, dass gerade die Saiten gestimmt werden. Selbst wenn du wüsstest, du würdest nicht verstehen – so verkünden es die Lyrics, die hier ebenso rätselhaft sind wie die Musik.

Nach dem ersten Durchgang bleibt das starke Gefühl, dass die Platte bei mehrmaligem Hören nur reifen und erst nach und nach ihre ganze Kraft entfalten wird, selbst wenn man schnell das Gefühl bekommt, dass sich Six Organs hier nicht ganz so bierernst nehmen und mit dem eigenen Image als „abgespacete“ Retrokapelle eher kokettieren, man vergleiche nur das infantile Albumcover. Eine gewisse Grundtoleranz gegenüber musealer Hippie-Nostalgie sollte also auf Hörerseite vorhanden sein, um dem Werk etwas abzugewinnen. Eine große Aversion gegen Soli sollte man ebenfalls nicht haben, aber auch folkorientierte Six Organs-Fans sollten sich von gelegentlichen Hard Rock-Momenten (und vor allem vom Opener!) nicht um diese seltsame Himmelfahrt bringen lassen.

Label: Drag City