CRIME AND THE CITY SOLUTION: A History Of Crime – Berlin 1987-1991

Um Simon Bonney, den Gründer von Crime and the City Solution und zugleich ihre einzige personelle Konstante, war es eine lange Zeit ausgesprochen ruhig, denn außer mit den Singer Songwriter-Alben „Forever“ und „Everyman“ machte der Sänger seit den frühen 90ern nur wenig von sich reden. Um so größer war die Überraschung, als er vor einigen Monaten die Wiedervereinigung seiner Band bekannt gab und ein neues Studioalbum ankündigte. Als Auftakt gibt es jedoch nicht bloß eine große Tour, denn die Reunion fällt glücklicherweise auch noch mit der von Mute initiierten „Introduction“-Reihe in einen Zeitraum, mit der das Label gerade eine große Werkschau betreibt. Zeit also, eines der frühen Labelzugpferde zu würdigen, das zusammen mit The Birthday Party, den Bad Seeds und These Immortal Souls zum Wichtigsten zählt, das der sogenannte fünfte Kontinent dem Punk’n'Wave der 80er zu bieten hatte.

Crime and the City Solution sind derzeit in aller Munde, weswegen ich die auf dem halben Globus spielende Geschichte und Vorgeschichte der Band, in die Größen wie Rowland S. Howard, Mick Harvey und Alexander Hacke involviert waren, nicht ein weiteres Mal aufrollen will. Wichtig ist im Zusammenhang der Compilation vor allem die Station Berlin, wo Bonney sich nach einer Zeit in London Ende der 80er aufhielt und die Band in einen neuen Karriereabschnitt führte. Dieser Phase, in der die Alben „Shine“, „The Bride Ship“ und „Paradise Discotheque“ sowie einige Einzelaufnahmen entstanden sind, ist nämlich Gegenstand der Sammlung, die dem Reihenkonzept entsprechend keine Best Of im klassischen Sinne sein soll.

Ob man nun von Post Punk oder New Wave oder einfach nur vom besseren Sound der 80er spricht, interessant ist stets, dass gerade die australischen Vertreter oft ein amerikanisch klingendes Element einbringen, einen Hauch von Blues, den man allgemein wenig mit diesem Zeitgeist assoziiert, und coole Twangs, die einen dunklen, gedrosselten Surfsound anklingen lassen. Dass dies aber sehr gut passt, findet gerade bei Crime anschauliche Beispiele, schon in den Songs vom „Shine“-Album mit seinem den Nerv der damaligen Gothics treffenden Artwork, das in der Bandhistorie jedoch gerade als Schritt hin zu einem etwas freundlicheren Sound gilt. Der Klagegesang des von beschwörenden Orgeln dominierten „All Must Be Love“ ist nichtsdestoweniger erschütternd, das perkussive „Hunter“ zeigt die Band von einer aggressiven wie melancholischen Seite. Erst die damalige Single-Auskopplung „On Every Train (Grain Will Bear Grain)“ bringt ein paar verspielte Sonnenstrahlen in die Eindringlichkeit von Wort und Klang. Das aller Rockelemente entledigte „Home Is Far From Here “ geht besonders an die Substanz, und ich möchte es allen Fans des späten Nick Cave, die um Bonneys Band bislang einen Bogen gemacht haben, empfehlen.

„The Bride Ship“ von 1989 ist eine weitere Wegmarke verzweifelter Melancholie, auf Stücken wie „Keepsake“ oder dem Titelsong fusionieren Schrammelgitarren mit Streichern und zum Teil orientalisch klingenden Psychedelicsounds zu einer wahnsinnigen, derangierten Mixtur. Wie schon auf dem Vorgänger drehen sich Titel und Lyrics oft um Orte. Symbole des Unterwegsseins, der Flucht und zugleich der Suche nach Wurzeln lassen eine inhaltliche Stoßrichtung anklingen, die bei einer Band, die den Kontinent wechselt, nicht überrascht. Ein weiterer Schauplatzwechsel ereignete sich während der Entstehung von „Paradise Discotheque“, als die Band für eine Weile in Wien weilte, dessen Stimmungen das Album mitprägten. Musikalisch zählen die Stücke zu den poppigsten der Band, beeindruckend die epische 4-Track-Nummer „The Last Dictator“, bei der man zwischendrin fast Morrissey herauszuhören meint. Das großartige Bonusstück „The Adversary” entstammt dem Soundtrack zu Wim Wenders Film „Bis ans Ende der Welt.“

Dass Greatest Hits-CDs eine inflationäre Angelegenheit sind, wird wohl niemand abstreiten wollen, von daher verstehe ich auch die Entscheidung, Werkeinführungen unter bestimmten Themenschwerpunkten herauszubringen. Im Falle von Crime tut das dem Anliegen, die Band in Erinnerung zu rufen und neuen Hörern nahezubringen gewiss keinen Abbruch. Schade dennoch, dass das Frühwerk dabei unter den Tisch fiel, denn musikalisch hätte es durchaus gepasst. Auf dem für nächstes Jahr angekündigten Neuling wird übrigens Alexander Hacke wieder dabei sein, und unter den Neuzugängen findet sich kein Geringerer als David Eugene Edwards von Wovenhand.

Label: Mute

Crime and the City Solution – On Every Train from crimeandthecitysolution on Vimeo.