Ob sich Esben And The Witch den Begriff Nightmare Indiepop selbst ausgedacht haben, oder ob ihn irgendein PR-Fritze auf dem Kerbholz hat, darf gerne ein Geheimnis bleiben. Aufgeschlossene Geister konnten sich schon vor zwei Jahren davon überzeugen, dass Rachel Davies und ihre zwei Mitstreiter nicht ins gewöhnliche Indie-Regal passen, in das man seit Jahren alle kleinen Geschwister der Viva Zwei-Chargen steckt. Dass der Erstling „Violet Cries“ wie tausend andere Alben der letzten Jahre erfolgreich auf der 80s-Welle mitschwamm, ist unbestreitbar, ebenso dass er wie ein solides Debüt klingt, bei dem eine gut aufeinander eingespielte Newcomerband zeigt, dass sie ein bestimmtes Stilrepertoire beherrscht und eine einfache musikalische Spannungskurve ohne nennenswerte Längen aufrecht zu erhalten weiß.
Hätten die drei Briten unter dem neuen Titel nun ihr Debüt quasi erneut eingespielt, wäre es kaum der Rede wert, doch erfreulicherweise legen sie jetzt erst richtig Zeugnis ihres Potentials ab: Esben sind keine Eintagsfliegen und ihr Album ist so vielschichtig und facettenreich, wie man es sich bei einer Gruppe nur wünschen kann, die keine bloße Genreband sein will. Vielschichtigkeit findet sich schon in der augenfälligsten Neuerung – in einem organischen Gitarrensound, der die neuen Songs nicht nur wärmer und softer klingen lässt, sondern ihnen auch mehr Spielraum gibt für eine Vielzahl an Klängen. In den filigranen Soundsfetzen, die den dronigen Klangteppich vieler Stücke durchziehen, findet sich der bekannte Gothicsound der Anfangstage beinahe komplett im Kleinen wieder. Von den mittlerweile so abgenudelten Bassspuren bis zu düsteren Synthies ist alles, was man bisher mit der Band assoziierte, an den richtigen Stellen versteckt. Freilich heißt das nicht, dass „Wash The Sins“ ein rein experimentelles Werk sei, dass sich in Selbstreferenz erschöpft. Ist der klingelnde Gitarrenteppich von „Slow Wave“ erst einmal von der handfesten Rhythmussektion überrollt worden, wird klar, dass Esbens Sprache auch hier die eines dunklen, dynamischen Pop ist. Der darf dann freilich auch mal epische Züge annehmen, wie beim finalen „Smashed To Pieces“, das im Minutentakt an Intensität gewinnt und sich zu einem furiosen Finale steigert. Postrock können sie also auch. Bei „Deathwalz“ mit seinem rauen Geschruppe und dem glasklaren Sopran hallt dann auch wieder das Echo vergangener Größe nach – unweigerlich kommen einem altehrwürdige britische Klageweiber in den Sinn, und ich denke dabei weniger an Siouxsie oder Liz Fraser, als an die im Retrohype chronisch unterbewerteten Schwestern Rachel und Rose von The Heart Throbs.
Ambiente Passagen von aufgelöster Struktur bilden dann das atmosphäriche Gegengewicht: dröhnende Traumlandschaften haarscharf an der Schmonzette vorbei wie bei „Yellow Wood“, folkige Fantasywelten und hallunterlegter Sirenengesang wie in „Shimmering“ oder spannungsgeladene Momente wie in „When that head splits“, bei dem man vergeblich auf den schädelspaltenden Moment wartet. Was diese Momente, ihre großen Gesten und die finstere Geheimniskrämerei der Texte vor dem Kitsch rettet, ist neben einem grovvigen, angejazzten Popappeal die Freude an spontanen Wendungen und unerwarteten Details, mit denen die Briten an die Aufnahme herangegangen sind. Das bunte Stimmungsbild, das daraus entsteht, trostet dann auch gut darüber hinweg, dass auf „Wash the Sins“ kein „Marching Song“ enthalten ist, der – Klischees hin oder her – natürlich großen Spaß machte.
Label: Matador