Sollte es eine Wahl zum sympathischsten Cover des Jahres geben, dann sollten definitiv auch die römischen Tikicore-Jazzer Mombu dafür kandidieren. Die Gestaltung ihres neuen Longplayers „Niger“ ist eine liebevoll-spackige Hommage an diverse Metal-Idole, darüber hinaus die perfekte Einführung in den eigenen Themenkosmos. Mit Tenorsaxophon und einer gewaltigen Drumsection beschwört das Duo aus dem Dunstkreis der legendären Zu ein weiteres mal die Geister einer exotischen Parallelwelt. Was daraus entsteht ist die musikalische Entsprechung eines grindigen Comics, dessen Schauplatz diesmal von der Karibik direkt auf den dunklen Kontinent verlegt wurde. Dort begegnen sich Kipling und Conrad, Lumumba und Idi Amin, und John Zorn stellt zusammen mit NoMeansNo den Score dazu bereit. Ja, Mombu schmeißen alle erdenklichen Klischees in einen Topf, und sind dabei ziemlich originell – musikalisch, und erst recht was die Attitüde betrifft.
Insgesamt ist „Niger“ um einiges opulenter ausgefallen als das letztjährige „Zombi“, bei dem Produzent James Plotkin v.a. an der klaren Akzentuierung der beiden Instrumente gelegen war. Zumindest für Momente konnte man noch erkennen, dass es tatsächlich von nur zwei Musikern eingespielt wurde. Auf „Niger“ arbeiten sie erstmals mit Gästen an Gitarre, Mikro und Handdrums, doch selbst dann, wenn all das nicht zum Einsatz kommt, ist die Wucht und Fülle der Musik größer als zuvor. Deutlicher noch übernimmt das Saxophon die Rolle verzerrter Riffs, und hat, wenn es sein muss, auch ein paar ordentliche Soli in petto. Im Zusammenspiel mit der „echten“ Gitarre sind die Instrumente oft nicht gleich auseinander zu halten, es sei denn man achtet darauf. Das größte Novum allerdings sind virtuose afrikanische Rhythmen, mit denen Studiogast Mbar Ndiaye nicht nur Kolorit beisteuert, sondern den Jazzcore der Italiener perfekt mit einem neuen Sound fusionieren lässt. Nur zu Beginn von „Adya Houn’to“ wirkt die Percussion noch wie ein Fremdkörper, der sich aber sukzessive, durch schichtweise hinzugefügtes Klangmaterial, in metallische Härte überführen lässt. In dem Stück hört man auch die ersten Vocals im Mombu-Kosmos, vom Drummer selbst in einer mir fremden Sprache gesprochen und gebrüllt. Wie ein beunruhigendes Filmsample wirkt die aufgeregte Tirade, woran auch die loungige Xylophon-Begleitung nichts ändert. Der hier noch in abstrahierter Form vorhandene Ethno-Kontext konkretisiert sich in „Carmen Patrios“ zu einem echten Hit, bei dem Ndiaye über einer ausgelassenen Perkussion toasted. Natürlich ist auch das kein glatter Weltmusik-Ramsch, und wer es nicht gleich merkt, dem zersägen zumindest gegen Ende verzerrte Saiten das Idyll. Und sowieso wären Mombu nicht Mombu, ließen sie die Geschichte nicht in einem lauten Klanggewitter enden. Dass ein Begriff wie Afro Noise, wenn man ihn weit fasst, kein Markenzeichen eines einzigen Projektes sein muss, sollte nach „Niger“ endgültig klar sein.
Nun sind Fusionen aus Jazz und Metal nicht neu, ebensowenig die Annäherung zwischen Jazz und nicht-“westlicher“ Musik, im Gegenteil sind solche Hybride fest im Kultukanon etabilert mit all den Schalheiten und Abnudelungseffekten, die das zwangsläufig mit sich bringt. Doch der Ethnic Jazz von Mombu hat wenig gemein mit dem, der in Jello Biafras Evergreen von Berufssöhnen gehört wird, während sich das wahre Leben im kriegsgebeutelten Kabodscha ereignet. Mombu erteilen jeder heilen Welt eine Absage, sind aber auch keine Miesmacher, sondern treiben Ethnoklischees mit einem Höchtmaß an Virtuosität auf die Spitze. Natürlich könnten Überkorrekte darin die Trivialisierung afrikanischer Identität wittern, aber dazu man muss schon ein verknöcherter Diskursapostel sein. Mombu machen aus den exotischen Motiven etwas ungemein Kraftvolles, das m.E. vor allem dem alltäglichen Wohlstandsphlegmatismus entgegen steht, mag dieser nun in menschelnder Selbstgerechtigkeit daherkommen, oder in der Gestalt eines blasierten, meist unbewussten Zivilisationsdünkels.
Tolles Album, nur im Ernst, das Cover schafft mich!
Label: Subsounds