In einer gepfefferten Auskennerreview könnten In Zaire schlecht wegkommen. Warum kann Rock nicht von seiner eigenen Geschichte lassen? Was kann man noch hinzufügen zu den fraglos interessanten Kapiteln, die Gruppen wie Hawkwind oder Pink Floyd vor rund vierzig Jahren zum Thema psychedelischer Musik eröffneten? Wozu braucht es nach dem jahrelangen Retrohype noch ein weiteres Psych Rock-Album? All diese Fragen sind berechtigt, doch wenn einem „White Sun Black Sun“ trotz allem frisch und radikal erscheint, dann muss es wohl etwas geben, das schwerer wiegt als Innovation. War die Musik der 60er und 70er nicht ohnehin ein unvolledetes Projekt mit vielen unverwirklichten Potenzialen, lediglich schal geworden durch das unerbittliche Rad der Konjunkturzyklen, dem in der Marktgesellschaft eben alles, auch die konsequenteste Alternative unterworfen ist? Darf man der heutigen Retromanie trotz Verhipsterung nicht trotzdem zugute halten, dass sie „the live coal under the ashes“ zumindest am Leben erhält? All diese Fragen sind ebenso berechtigt, aber die Frage, warum ausgerechnet In Zaire überzeugt, lässt sich weder darurch, noch mit dem schlichten Verweis auf ihr Können abhaken. Es ist eine mitreißende, elektrisierende Energetik, die sich schwer in Worte fassen lässt.
„White Sun Black Sun“ ist ein furioser Trip durch unser Sonnensystem und macht auf insgesamt sieben Himmelskörpern Station, wo das italienische Quartett die jeweilige Stimmung musikalisch einfängt – intrapsychische Feldaufnahmen eines rasanten imaginären Spacetrip, wenn man so will. Die erste Seite der LP beginnt ganz konventionell mit Sonne und Mond, sehr geradlinig zunächst mit satten, fast punkigen Riffs, mit wilden Hihats und creepy Vocals, die vom Fixstern auf den Erdtrabanten mitgenommen werden, wo es tänzelnder und filigraner zugeht. Krautrock-Assoziationen sind erlaubt, auch gegen Ende, wenn das Stück im lauten Chaos verschwindet. Ob die traditionelle Symbolik der jeweiligen Gestirne mit in die Ausgestaltung der Stücke hineinspielt – mal mag es einem so vorkommen, mal weniger, und sollte man im straighten „Sun“ eher das Männliche sehen als im verspielteren „Moon“, dann sagt das vielleicht mehr über den Hörer aus als über die Musik. Auf dem Mars tönt es kaum martialisch, vielmer läuft dort ein Score mit akustischen Klangmalereien und zünftigen Rocksoli, Merkur dagegen gibt sich spielerisch und zeitweise sehr funky. Jupiter hält die experimentierfreudigsten Momente parat und kompensiert scheinbare Strukturlosigkeit mit dröhnenden Hendrixsoli. Orientalische Sounds und die virtuosesten Drums erklingen auf dem schwülen Planeten Venus, rituelle Perkussion empfängt den Reisenden auf dem Saturn, der seit jeher eine Anziehungskraft auf Okkultisten aller Art ausübte. Dort schließt sich auch der Kreis, und der Hörer erreicht um einige Erfahrungen reicher den rockigen Ausgangspunkt.
Die LP erschien bereits Ende März in 500er Auflage, und vielleicht sind von den hundert farbigen Scheiben noch welche zu haben. (U.S.)
Label: Sound of Cobra/Tannen Records/Offset