Kollaborationen verlangen nicht nur dann besonderen kreativen Einsatz, wenn Musiker aus weit außeinanderliegenden Bereichen aufeinander treffen. Gerade im Bereich rituell angehauchter Perkussion gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass sich bestimmte Rhythmen recht einfach in die unterschiedlichsten Klangbilder integrieren lassen. Will sagen: Ethnogetrommel jedweder Art passt zu den meisten Musikarten von entweder flächiger oder eben sehr freier Struktur. Z’ev und Hati sind in der Vergangenheit schon die unterschiedlichsten Verbindugen eingegangen, meist mit sehr reizvollen Resultaten, ohne ihren bekannten Still allzu sehr verbiegen zu müssen. Bisweilen hat man den Eindruck, dass ein gewisser Film abgespult wird, der dann im jeweiligen Kontrast dennoch beeindruckt. Dass der bekannte Amerikaner und das polnische Duo nun zum dritten mal zusammen im Studio waren, könnte der Herausforderung zu danken sein, die die Zusammenkunft ähnlich arbeitender Musiker mit sich bringt. Bei zu ähnlichen Techniken ist oft einer der Drummer überflüssig. Starke Divergenzen wiederum verlangen ein feines Gespür für gelungenen rhythmischen Dissens.
Z’ev alias Stefan Joel Weisser ist einer der Musiker, bei denen man das “Post” vor dem “Industrial” guten Gewissens weglassen kann. Dies nicht nur wegen seiner Pionierrolle, sondern auch weil seine rituelle Geräuschkunst keinen Standards, sondern einer ganz eigenen archaisch-apokalytischen Vision entspricht. Sollte man bei ihm den „Ethno“-Begriff verwenden, dann besser unter Vorbehalten, denn seine Musik ist eine eher endzeitliche Folklore auf dem Schrott einer verfallenden Zivilisation. Dabei ist sein Ansatz keineswegs nur reaktiv, sondern auf Bewusstseinstechniken fokussiert, die er unter dem Begriff “Rhythmajik” fasst. Rafal Iwanski und Dariusz Wojtas bilden den Nucleus von Hati und haben sich zum einen der Erforschung „indigener“ Schlaginstrumente verschrieben. Andere Tonerzeuger entstammen der eigenen Ideenwelt und werden im heimischen Atelier zusammengebaut. Insgesamt wirkt ihre Herangehensweise „weltmusikalischer“. Ob das Rasseln und Kratzen, das „Collusion“ einleitet, von Hati stammt und das Beckenrauschen von Weisser – es ist anzunehmen, aber es spielt tatsächlich bald kaum mehr eine Rolle, denn wenn die anfangs noch zaghaft tastenden Bewegungen an Volumen gewinnen und die Vorlage für immer dunklere Klänge liefern, verschmelzen diese schnell zu einer Einheit, die schwer aufzulösen ist. Unterschiedliche Klangfarben wirbeln durcheinander – hölzerne, metallene – und die Schlagwerkzeuge scheinen eine Bandbreite vom Hammer bis Jazzbesen zu umfassen, und alles in allem ist “Collusion” kein ausgesprochen lautes Album. Häufig staut sich die Musik in Augenblicken fast suchender Statik, von der aus immer wieder neue Rhythmen erkundet werden. Hier und da gabelt sich die geschlossene Klanggestalt auf, und unterschiedliche Takte verlaufen nebeneinander und lassen polyrhythmische Welchselwirkung entstehen. Bisweilen endet dies im sublimen Chaos, begleitet von Sounds, die man weiteren Quellen zuordnen will – Grillenzirpen, Instrumenten wie dem Xylophon etc. Assoziationen des Martialischen und natürlich des Ethnischen scheinen auf, man denkt vielleicht an indische Volksfeste mit den berühmten Stelzenläufern, doch was die drei Musiker daraus machen, hat wenig von einem abgegriffenen pseudoritualistisches Spektakel.
„Collusion“ hat Züge eines von allerlei Leerstellen durchlöcherten, sprachlosen Hörspiels, bei dem der Rezipient bewusst in Unsicherheit über Schauplatz und Szenario der Musik gelassen wird. Das häufige Quietschen und Kettenrasseln bleibt mehrdeutig, da es Assoziationen zum Ritual, aber auch zu einer mechanischen, vorindustriellen Arbeit weckt. Das Album basiert auf einem Klangexperiments, das vor zwei Jahren auf einem Festival begann. Ob es das Endresultat oder ein Zwischenresümee darstellt, wird die Zukunft zeigen. (U.S.)
Label: Idiosyncratics