Stephen Burchs Songtexte sind von brutaler Direktheit und zugleich voll feinsinniger Nuancen. Es gibt klare, sehr aussagekräftige Momente, die trotz des starken Symbolismus ein griffiges Thema umkreisen. Andere Stellen sind sehr dunkel, verweisen auf alles und nichts, offenbaren eine sehr persönliche Bildwelt. Von Abgründen und ihrer Anziehungskraft künden sie jedoch fast immer, und selbst in den euphorischen Momenten erscheint das Glück oft selbst wie ein Abgrund, dessen Sog man sich gerne aussetzt, wohl wissen um die Quittung, die einem das Leben ganz sicher vorlegen wird, und die meist im Verlust seiner selbst besteht.
Der Titel der neuen EP könnte eine Art Motto zur Bandgeschichte sein, denn um das Sich-Verlieren geht es bei The Great Park immer wieder – sich für Momente verlieren, an fremd(artig)en Orten, in der intensiven Begegnung, im Glück oder im Unglück, vielleicht auch für immer, in einer Art Wahn. Doch auch die andere Seite, das beruhigende – oder ernüchternde – Wiederankommen bei sich selbst und beim anderen, kommt bei Burch immer wieder zur Sprache. “We Love to get lost…” ist so etwas wie ein düsterer Roadmovie in Form von fünf kleinen Songs, sein Schauplatz ist von meist dämmerigen Stränden, Feldwegen und Seitenstraßen markiert, deren einzige romantische Note in der Schaurigkeit der evozierten Bilder liegt. Dort sind die Akteure zu Fuß oder per Rad (weswegen man vielleicht eher von einem Pathway Movie sprechen sollte) auf der Suche, vielleicht auch auf der Flucht, oder sie lassen sich unbestimmt, aber doch einer gewissen Logik folgend, treiben. Ihre Worte und Gedanken sind bitter und abgeklärt, fast wie die Stimme in Simon Finns “Accidental Life”, doch längst nicht so sehr außerhalb des Geschehens, an dem Ort, an dem man ein philosophisches Lebensfazit ziehen würde. Die Stimmen in Burchs neuen Liedern sind stets mitten im Geschehen, und ein Fazit gibt es wenn nur in der versöhnlichen Schlussgebung im Song “Tin”.
In “Deserter” scheint vieles verloren – die Welt, die Good Guys, selbst das Fluchen verschwindet irgendwo zwischen den Worten. Trotz der simplen Gitarrenklänge und der lieblichen Melodie verkommt die Bitterkeit nie zum bloßen Kitschlamento. “I don’t need a chair and I don’t need a bed/I need a table to lay stiff upon” heißt es nüchtern, doch wenn danach doch das “du” emphatisch beschworen wird und die Stimme sich als Sisyphos – “Just crying and a-carrying on” – offenbart, registriert man, dass sich die Worte hier auch gerne in der Ambiguität verlieren – oder finden. “The Worst of it is” und “My Billy Boy” könnten unterschiedlicher kaum klingen, ersteres eine folkige Goth-Ballade, die von abstruser Magie und dem graduellen Abgleiten ins Irrationale kündet, letzteres ein freundliches Lied, dessen Text anscheinend an einen Freund gerichtet ist, doch beide transportieren ein paranoid-kafkaeskes Moment, das beinahe Polanskis “The Tenant” zur Ehre gereicht hätte.
All dies erscheint im altbewährten Klanggewand: Bittere, sarkastische Reflexionen kontrastieren mit lieblichen Melodien, sanften Gitarren und stimmungsvollen Snaredrums. Verfremdendes wird dezent eingesetzt oder passiert einfach en passant, so z. B. das immer wieder mögliche Abgleiten des eigentlich netten Gesangs in spukige Überdrehtheit. Für Momente hört man Burch im Duett mit einem merkwürdigen Widergänger, begleitet von verstörenden Filmsamples (“Maybe I’ll fucking die in it”). Vom textlichen her haben die einzelnen Releases stets den Charakter vager Konzeptalben, der musikalische Stil dagegen ist von sehr konstanter Art, jeder der fünf Songs hätte auch auf einem der letzten Alben seinen Platz gefunden. Manche mögen das monieren, andere erkennen darin schlicht einen konsequenten, persönlichen Stil. Erstere seien daran erinnert, dass nichts dagegen spricht, zwischendrin mal etwas anderes als The Great Park zu hören.
Label: Woodland Recordings