ISLAJA: S U U

Eine Platte, die nach dem finnischen Wort für „Mund“ betitelt ist, weckt die verschiedensten Erwartungen – Rezitation, gutes Songwriting, eine markante Stimme, expressiver Gesang. Am wenigesten würde man vermutlich an die groovigen und v.a. körperbetonten Synthiebeats denken, die auf Islajas neuem Longplayer nicht nur ins Ohr gehen, sondern auch die Füße mal mindestens zum wippen bringen.

Islaja? Synthies? Ganz recht, auch wenn sich manche dabei sicher im falschen Film wähnen. Merja Kokkonen, die unter diesem Namen firmiert, zählte in der vorigen Dekade zu den Erneuerern des Folk, von denen die Puristen mit „Folker“-Abo nie etwas mitbekommen hatten und die gerne das Label “weird” verpasst bekamen – ganz nebenbei ein ebenso finnisches wie amerikanisches Phänomen, wovon allein schon die Diskografie ihres früheren Labels Fonal zeugt. Bekanntlich entdeckten nach dem Ende des großen Hypes die Braven für sich den Shoegaze, während die Flippigen den Weg aller CocoRosies gingen und auf fesche Elektronik umsattelten und dabei reihenweise zu kleinen Björks mutierten. So vorhersehbar das irgendwann wurde, so legitim ist es letzten Endes, und wenn dabei hörenswerte Resultate entstehen, dann sollte auch es kein Grund zur Ablehnung sein.

Islaja überzeugt aus zweierlei Gründen: Zum einen wirkt ihr Wandel nicht angestrengt, und wer sie in den letzten Jahren auf der Bühne erleben konnte, weiß ohnehin, dass die Veränderung nicht über Nacht kam. Zum anderen ist auf atmosphärischer Ebene immer noch genug vom alten Flair vorhanden, der ein märchenhaftes, surreales und durchaus erotisches Bild von ihrem Land zeichnet, das gerne als exotisches Nordland verklärt wird.

Zu den auffälligsten Neuerungen zählen ein paar versteckte Clubhits, die klingen, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht. Dass sie dabei tief in die hippe Retrokiste greift, stört nicht, denn der coole, groovige Takt in „Skeleton Walk“ der vor Dekaden die Diskotheken zum Beben gebracht hätte, ist fraglos das bessere Argument. Mit Kolorit und schrägem Humor wird keineswegs gespart, auch wenn letzterer bisweilen etwas verhuscht zwischen einzelnen Brüchen und Melodiepassagen hervorlugt. Lässt Merja hier noch einen marionettenhafen Totentanz in abgehackten Bewegungen durch die Szenerie geistern, so wirft „Chaos Pilot“ die HörerInnen in ein stilisiertes, asiatisch anmutendes Setting – eine verdrehte Traumwelt, aus der einen erst ein paar nervige Spielzeugsounds aufwecken. „Lay by my side“ könnte glatt ein verloren gegangener Grace Jones-Song sein.

Ihre ganze Wirkung entfalten die Popstücke aber erst im Kontext der zurückgenommeneren Momente, bei denen das Pulsieren heruntergefahren wird und alles im Zeichen eindringlicher Melodien und eben der Stimme steht. Gerade in dieser Form, mit komplett unter einem Teppich aus wehmütigen Synthies versteckten Rhythmen, ist das fordernde „Travel Light“ der stärkste Song des Albums. Die finnischen Elemente finden sich eher in den von mythischen Anspielungen durchwobenen Texten, indirekt aber auch in den vielen kleinen Verspieltheiten, die die Brücke zu ihren früheren Aufnahmen, aber auch zu Kolleginnen wie Lau Nau schlagen.

Label: Monica Enterprises