BO NINGEN: III

Der Übergang von psychedelischer Rockmusik der 70er hin zum schon auf das nächste Jahrzehnt vorausweisenden Punk und New Wave vollzog sich, zumindest was die Kontinuitäten betraf, eher heimlich. Gleichwohl brachte gerade Deutschland einiges an Musik hervor, bei der die Grenze zwischen Kraut und NDW fließend verlief. Es wäre schon sehr überraschend gewesen, wenn unter den vielen geschichtsversessenen Bands der letzten Jahre niemand gewesen wäre, der den Punkt, an dem Rockmusik beides war, nicht besonders unter die Lupe genommen hätte. Das japanische, seit längerem in London heimische Quartett Bo Ningen ist eine dieser Bands, und sie sind vor allem noch mehr.

Bo Ningen sind eine ausgezeichnete Liveband, zu deren Markenzeichen nicht nur ihre zunftigen Masonnafrisuren zählen, sondern auch regelmäßige Wechsel in Rhythmus, Tempo und Stimmung, bei denen der Sprung vom monotonen Geschrammel zur schrillen Ekstase schon mal in einem einzigen Taktschlag vonstatten gehen kann. Einen Stock im Arsch haben die Stockmänner, wie ihr Name auf Japanisch lautet, schon mal nicht – nur um bei der Gelegenheit noch einmal dem Gerücht entgegen zu wirken, die vier hätten sich nach der Schweizer Gemeinde Boningen benannt.

Das Spontan-Anarchische findet tatsächlich auch seinen Weg auf die Aufnahmen, und die Vorstellung, dass Bo Ningen vor den Studioterminen viel Zeit mit Komponieren und Einstudieren zubringen, ist eher unwahrscheinlich. Dass „III“ etwas routinierter klingt als seine beiden Vorgänger kommt dem neuen Album durchaus zugute, denn die Band lässt sich kaum zur Perfektionierung des schon erreichten verleiten. Vielmehr gönnen sie sich manche übermütige Stilüberblendung an der Grenze zum Mash-up und klingen für Momente durchaus mal wie eine Faust-Hommage und ein Fehlfarben-Verschnitt zugleich. Die schrillen, androgynen Shouts in „DaDaDa“ strafen aber letztlich auch dieses namedropping Lügen.

Es gibt monotone, nahezu statische Passagen, aber auch Abschnitte, die sich in Postrockmanier kontinuierlich aufbauen und an den weiträumigen Plateaus fast metallische Schwere aufkommen lassen. „Maki-Modsoschi“ kontrastiert mechanisch gleichförmigen Gitarrennoise mit improvisiert wirkendem Funk, „Slider“ hätte mit dem einschmeichelnden Gesang fast ein Stück Gitarrenpop werden können, wäre da nicht die etwas zu kratzige Leadgitarre und das zu knarrige Bassspiel. Der Frontmann ist gesanglich ohnehin ein wahres Chamäleon, und kennt man die Band, erscheint einem jeder schöngeistige Moment auf „III“ schnell als Ironie.

Insgesamt lieben Bo Ningen das Knallige, Vordergründige, und auch auf „111“ wird nichts versteckt oder in subtile Muster gepackt. Dies ist so reißerisch wie unbekömmlich, so dass die Platte – Neigung vorausgesetzt – gar nicht anders kann, als mit mehrmaligem Hören zu wachsen. (U.S.)

Label: Stolen Recordings