Vom Hippieerbe im Punk zu sprechen gleicht bis heute einem Tabubruch, was sich im Fall existierender Klischees durchaus mit Küchenpsychologie erklären lässt – der gemeine Hippie ist nett und versponnen, der gemeine Punk dagegen hat einen guten Teil des mackerhaften Nihilismus verinnerlicht, den er an seiner Zeit eigentlich hasst. Unter den Voraussetzungen will man nicht unbedingt voneinander abstammen, aber mit Robert Crumb hat das natürlich ebenso wenig zu tun wie mit Flux of Pink Indians. Immer wieder gut für einen Blick auf die Kontinuität von Subkulturen unterschiedlicher Jahrzehnte ist Mayo Thompson, der 1968 einen Song über Ravi Shankar als Fallschirmspringer schrieb.
Seine experimentelle Rockband The Red Krayola (inklusive aller Schreibweisen und Ergänzungen) startete auf dem Debüt „Parable of Arable Land“ mit lupenreiner Psychedelia, um rund zehn Jahre später eine Musik zu spielen, die nicht weniger frisch und zeitgemäß klang als Devo, Stranglers oder Fehlfarben. Zusammen mit den Alben „Coconut Hotel“ und „Hazel“ bringt Drag City zu Mayos Siebzigstem nun auch die „Singles“-Compilation von 2004 noch einmal heraus.
Es wäre schwer, eine Zusammenstellung von Red Krayola-Songs herauszubringen, die nicht originell und verstörend wäre, vielleicht weil der späte Songtitel „Another Song, Another Satan“ durchaus als Motto taugt. Eine 7′-Sammlung ist aber auch insofern sinnvoll, dass auf den kleineren Veröffentlichungen nur selten Albumtracks auftauchen. Abgesehen von den ersten Jahren, aus denen keine Singles vorliegen, gibt die Doppel-LP aber dennoch einen guten Überblick über die musikalische Biografie der Texaner. Die ersten enthaltenen Tracks aus den Jahren kurz vor 1970 stehen stilistisch ganz im Zeichen einer freien Orientierung unter Einbezug einiger Psych Rock-Reste. Thompsons Persönlichkeit, sein immer leicht zappaesker Gesang, die intellektuelle Neugier in den Lyrics, der unüberhörbare Comedy-Aspekt – all dies waren schon hier Konstanten. Das gilt für das antifolkige Solostück „Woof“ ebenso wie für den schrägen Walzer „Old Tom Clark“, den er damals noch unter seinem Projekt Saddlesore aufgenommen hatte.
Anknüpfen konnte Thompson nach einer weiteren 7′-freien Phase v.a. an die vitale Rock’n'Roll-Seite, die sich gelegentlich in Stücke wie „Wifes in Orbit“ einschlich, die bereits mehr Post- als Protopunk waren. Und natürlich die inkohärenten Strukturen der Songs, in denen Thompson seiner Vorliebe für Genreausflüge nachging. Waren die ramschigen Gitarren und die Dub/Reggae-Elemente aus „Micro-Chip and Fish“ noch im Trend der Zeit, so entsprachen das eindringliche Tenorsaxophon auf dessen B-Seite „The Story So Far“ und die angejazzten Beiträge aus der deutschsprachigen „Rattenmensch“-Phase schon recht eigenen Ideen. Es war die Zeit, als religiöse und philosophische Themen bei Red Krayola hoch im Kurs standen, Figuren von Jesus über Goethe bis Franz von Assisi auf der Bildfläche erschienen und mit Blue Jeans und Dope in einem Atemzug genannt wurden, gleichzeitig aber auch ernste Texte entstanden wie der des epischen „The Sword of God“, das 1980 entstand und in Zeiten des War on Terror neue Aktualität beanspruchen konnte.
In die selbe Zeit fallen auch die besten Duette mit piepsigen Punk Ladies wie Gina Burch oder Lora Logic, von denen „Born in Flames“ Hervorhebung verdient. Im Vergleich dazu erscheinen die 90er, die primär von der Zusammenarbeit mit dem Musiker und Künstler Albert Oehlen geprägt waren, wieder um einiges heterogener – diese brachten ironische Folknummern ebenso hervor wie kaputte Popsongs und fiese Noiskollagen, wie um noch einmal zu unterstreichen, dass The Red Krayola zu den gängigen Schablonen quer liegen und stets einen Weg der Umwege gegangen sind.
A. Kaudaht
Label: Drag City