Liz Green gehört zu denjenigen Folksängerinnen, die vor ihrer “Entdeckung” ein reges subkulturelles Vorleben weit unterhalb der Wahrnehmungsgrenze derjenigen führten, die sich zum Bescheidwissen über musikalische Zeitgeschichte berufen fühlen. Als die Experten für die Spitzen von Eisbergen gerade mit dem Ende des Weird Folk beschäftigt waren, spielte Liz Green zahlreiche Konzerte in Wohnzimmern und kleinen Bars, wo zur Bezahlung der Hut herumging, kleine DIY-Releases entstanden ohne PR und Management. In diesen Jahren entstand ein üppiger Erfahrungs- und Songfundus, aus dem die Künstlerin nun in ihrer professionellen Phase ausgiebig schöpfen kann. Keine Frage also, dass nach “O, Devotion!” längst ein zweites Album in den Regalen steht.
Wirkte “O, Devotion!” zum Teil noch wie eine Sammlung von etwas heterogenem Songmaterial, so erscheint “Haul Away!” um einiges stimmiger arrangiert. Das heißt keinesfalls, dass die Stücke alle aus einem Guss sind oder gar stilistisch eindimensional wären. Der Grundcharakter ihrer Musik, die reizvolle Mixtur aus Folk-, Ragtime- und Chansoneinflüssen verteilt sich auch diesmal recht ungleichmäßig über die elf Stücke. Es gibt recht urtümliche, traditionelle Songs wie “Battle” mit seiner klassischen Folkmelodie und dem unbegleiteten, intim wirkenden Banjospiel. Aber auch weniger luftig arrangierte Momente, die an beschwingte Musik aus dem frühen 20. Jahrhundert erinnern, kommen zum Zug, manche Songs könnten auf einer normalen Swingplatte enthalten sein (“Island Song”), richtig opulent dagegen wird es bei den melodramatischen Chansons, die urig (“Little I”) oder mit einer gewissen Glasur (“Rybka”) daher kommen können. Woran es wohl liegt, dass die Songs insgesamt doch eine Einheit zu bilden scheinen? An den Übergängen, durch die die Stücke so passgenau angeordnet sind? An der gleichmäßigen Durchmischung beschwingter und getragener Nummern und dem ausgewogenen Verhältnis von europäischen und amerikanischen Spielweisen? An dem nostalgisch anmutenden Begleitwerk wie Tuba, Saxophon, Jazzbesen und eben Banjo, das jeden Song wie ein Echo aus dem Geogian Age klingen lässt?
Sicher von all dem etwas, doch v.a. fällt eine schwermütige Grundstimmung auf, ein schon stimmlich-melodisches Künden vom Zuendegehen, das auch in den Texten widerhallt, wenn es um den Tod einer Sprache oder um den Verfall alter Theaterhäuser geht. Diese sanfte Melancholie ist auch in den Zwischentönen der beschwingteren Songs zu vernehmen, leise und hintergründig, und so entsteht z.B. in dem endorphingeschwängerten “Empty Handed Blues” jenes bittersüße Stimmungsgemisch, das man mittlerweile als eines der Markenzeihen von Liz Green betrachten muss.
Label: PIAS