Die Liebe hat in der Popkultur seit jeher einen schweren Stand – nicht dass ihr keine interessanten Schöpfungen gewidmet wären, doch ihre Zahl ist gering im Vergleich zu all dem Eskapismus der dummen Weiber und Kerle, der die weite Welt der liebestrunkenen Lieder, Filme und Romane überschwemmt. Es dauerte bis in die Zeit des Punk und Wave, als über den Abschied vom „Peace and Love“-Motto der 60er kritische Absagen an die schmachtvolle Liebesutopie auch lowbrow salonfähig wurden. „This is not a lovesong“ hies die Devise, es war die Zeit der verhuscht unterkühlten Umwege, der murder ballads, der ironischen Brechungen und subtilen Ausnahmen. Seit dieser Zeit muss ein komplett der Liebe gewidmetes Album mit einem Titel wie „You’re Mine Again“ bei jedem, der nicht unter Soma-Einfluss steht, gelangweites Misstrauen erregen – es sei denn, man traut dem Frieden nicht und wittert Größeres hinter all dem romantischen Zuckerguss.
Ein solcher Impuls könnte daher rühren, dass einem Nick Grey, der dieses Album mit seinem personell abgespeckten Random Orchestra aufgenommen hat, schon einmal begegnet ist – ausgesprochen umtriebing ist der Sänger nämlich, mit Namen wie Charlemagne Palestine, Kris Force, Tony Wakeford und Matthew Shaw wäre die Liste seiner Kollaborationen allenfalls angerissen. Dort wie in seinen eigenen folkigen Popsongs profiliert sich Grey als Ironiker, der sich mit Vorliebe den dunklen, wahnhaften Seiten des Lebens widmet. Auf „You’re mine again“ zeichnet er ein desperates Bild der Liebe als Grenzerfahrung, das an die platonische Plattitüde von der Liebe als Krankheit des Geistes denken lässt. Abhängigkeiten, Herrschsucht, Misstrauen und die Illusion des falschen Idylls prägen die Texte des Albums, immer unterfüttert mit einem Schuss alltäglicher Trivialitäten, mit langweiligen Gesprächen und ordinären Parties. Eine doppelbödige, stets halb augenzwinkernde Melancholie breitet sich aus, deren Ironie man beim unaufmerksamen Hören der nett arrangierten Musik leicht überhören könnte – vielleicht nicht gerade beim Titeltrack, der gar zu ordinäre Worte mit filmreifen Streichern und einer vergnüglich knarzenden Brass Section unterlegt, aber gewiss bei dem Ohrwurm „Structure & Faith“, bei dem die stets zwischen Akustikpop und Elektronik pendelnde Musik zu einer gelungenen Bricolage aus Kraftwerk, Surftmusik und Chanson heranreift.
Manche Songs stechen gegen Ende des Albums auch stilistisch hervor. „Enchanté“ mit den französischen Vocals einer anrührenden Sarah Maison klingt wie eine spaltbreit offene Tür in einen ganz eigenen fragilen Chanson-Kosmos, dessen humorige Feinsinnigkeit man ohne die entsprechende Sprachpraxis allenfalls erahnt. „Death of the Dogman“ lässt die Bluesgitarre krachen und repräsentiert mit seinem epischen Text die Hardboiled-Seite des Ganzen. Freilich ist auch dies halb Parodie, wie um daran zu erinnern, dass das Leben kein Italowestern ist. Da Grey immer genügend ernsthaft Schönes bestehen lässt, ist es aber auch kein Film von Ulrich Seidl. (U.S.)
Label: Milk & Moon Recordings