Kristina Jungs Debüt kommt auf derart leisen Sohlen daher, dass man die Tiefe und die zum Teil abgründige Schwermut der fünf Tracks glatt überhören könnte. Kein opulentes Cover, kein markanter Bandname, keine oberflächliche Dramatik in den vordergründig so heimelig anmutenden Akustiksongs – fast so, als wollte sie sich all die beiläufigen Gelegenheitshörer vom Hals halten, denen man das Besondere mit dem Holzhammer servieren muss. Ich weiß nicht, ob Kristina das Attribut Folksängerin akzeptieren würde, dass ihre Musik an eine englischsprachige Songtradition anknüpft, steht jedoch außer Frage. Dass die aus Rostock stammende Musikerin dabei an Sängerinnen erinnert, die englische und amerikanische Stile kombinieren, könnte einer bewussten Entscheidung entsprechen, vielleicht ist dieser freimütige Zug aber auch schlicht ihrer nicht anglophonen Herkunft zu verdanken.
Ganz treffend verweist das Label auf die kalten Winde der herbstlichen Ostsee, die man förmlich in der Musik spüren kann, doch das ändert nichts an der besinnlichen Stimmung des eröffnenden „King with no throne“, das eine Geschichte von Fremdheit und Verlorenheit erzählt, dessen Musik dennoch von Meditation und Einkehr zu künden scheint. Ganz kleine Brüche erst – eine gewisse verletztliche Kühlheit in der Stimme und ein Wort wie „forests of concrete“ – entzaubern die Szenerie für Momente und zeigen, dass es Kristina Jung nicht um Weltflucht geht. Phrasen wie „I am a stranger in my own land“ und „summer, why have you gone?“ würden bei vielen rührselig klingen, erstrecht, wenn sich die Stimme fast schon in Josephine Foster-Manier wie ein Theremin emporschwingt. Hier allerdings nicht, man ist wie gebannt und registriert ganz nebenbei, wie sehr das von kleinen Tempo- und Rhythmuswechseln geprägte Narrativ eine durchaus vielseitige Landschaft ausbreitet.
Ihre Kunst, Unbehagen auf anheimeldnde Art auszudrücken, gerät schon deshalb nie zur Masche, weil sie dies auf immer wieder andere Art umsetzt – verträumter, gelöster kommt das folgende, u.a. ihrer Stadt gewidmete Stück daher, stellt Fragen nach Hoffnung, in der sie, wie in der Liebe, nur Illusion sehen kann. Doch keine Plattitüden, kein billiges Abtum, denn warum sonst sollte sie darüber singen? Aber vielleicht ist sogar dies schon zu viel der Interpretation, die bei einer EP wie „Into the Light…“ schnell an ihre Grenzen stößt: Kristina Jung lässt Themen kurz aufscheinen, wirft in ihren Texten Fragen auf, scheint sich für Momente zu offenbaren um dann doch wieder hinter der sanften und gleichsam unleidlichen Melancholie zu verschwinden. Von dieser Balance lebt auch das verstörende „Wish you were a hunter“, dass so feierlich getragen daher kommt, dessen (destruktiver?) Schrei nach intensivem Erleben von so etwas wie Liebe und Erotik dennoch ungemein aufwühlend ist.
Bei all dem ist Krisitina Jung so sehr Protagonistin, dass man die Lieblingsbeschäftigung des Musiknerds, das namedropping, glatt vergessen könnte. Um auch da die Kurve zu kriegen, sollen noch die anderen Beteiligten genannt werden – Eryk Pawlik, der sie streckenweise an der Gitarre begleitet, Markus Heinzel, der seinen Bass brummen lässt, Adam Cooper-Terán, der Illustrationen in der handgemachten Tonpapierbox versteckt hat, und dann natürlich Sharron Kraus, Josephine Foster, Allysen Callery, Marissa Nadler und wie sie alle heißen, deren Fans sich das gute Stück nur unter Strafandrohung entgehen lassen dürfen. (U.S.)
Label: Woodland Recordings