Denkt man an klassische Experimentalmusik, v.a. an solche mit dem Typenschild “zeitgenössische Avantgarde”, kommen einem in der Regel eher Amerikaner als Briten in den Sinn, vielleicht weil Komponisten wie John Tilbury, Laurence Crane oder Gavin Bryars etwas später als Cage und Feldman auf der Bildfläche erschienen sind und bis heute konzeptuell dezenter zu Werke gehen. Die britischen Contemporaries entwerfen von westlichen Tonsystemen entkoppelte Klangobjekte, die meist ohne Atonalität oder die Herausforderungen harscher Alltagsgeräusche auskommen.
Für den Norweger Håkon Stene, der als Perkussionist auf Marimba- und Vibraphon spezialisiert ist und einen postrockigen Zugang zu Klassik und Neuer Musik hat, schreiben die genannten Crane und Bryars eine ideale Musik, die sich in ein instrumentell reichhaltiges Gewand hüllen lässt. Mit “Lush Laments for Lazy Mammal” interpretiert Stene erstmals deren Kompositionen, wobei ein auf leisen Sohlen daherkommendes Werk entstanden ist, dessen Titel passender nicht sein könnte.
Was Stene und sein Ensemble vom asketischen Minimalismus der Briten am ehesten übernommen haben, ist die überschaubare Grundausrichtung des klanglichen Repertoires. Gitarren, Cello, die genannten Klöppelbretter und dezente Elektronik lassen ein meliertes Dröhnen in entspannter Wellenbewegung auf und ab ebben, dessen Dichte und Dynamik nur an ausgewählten Stellen etwas intensiver werden und mit ihrer warm-dumpfen Verhalltheit schon mal raumausfüllend wirken können. Drei markante Pianobeiträge (einer übrigens vom bekannten Pianisten Christian Wallumrod eingespielt) bilden einen gewissen Gegenpart, doch selbst der erscheint stets wie in eine Schicht aus glühendem Rauschen gepackt. Diese Schicht tönt wie eine abgespeckte Version der restlichen Dronesounds und weist die gleiche, für das Album typische Klangbeschaffenheit auf – nie klar oder gar kitschglatt, doch auch ohne den geringsten Anflug rauer Körnung.
Stenes Interpretation ist nicht nur eine Hommage an die klassische britische Musikavantgarde, sondern auch Ausdruck seiner (im weitesten Sinne) Pop-Vorlieben, die von Folk über Postrock bis zu elektronischer Musik reicht, denn von all dem scheint auch vieles in seinen Crane- und Bryars-Interpretationen auf. Ein Schreiberkollege zog kürzlich “off the record” den Vergleich zu den Current 93 der “Sleep Has His House” und “Horse Hospital”-Phase, den ich trotz aller Gewagtheit nachvollziehen kann. (U.S.)
Label: Hubro