Wenn jemand ein Album nach einem schwarzen Haufen oder einer schwarzen Deponie benennt, klingt das erst einmal nicht gut, und genauso ist es von dem belgischen Sound- und Multimedia-Künstler, der sich Tzii nennt, auch gemeint. The Black Pile – das ist der Schrotthaufen, auf dem sich all der Unrat ansammelt, den der Mensch über Jahr und Tag konsumiert hat, um zu werden, was er zu sein glaubt – ein Individuum. Es ist nicht das erste Mal, dass der Musiker sich diesem Thema widmet und seine Konsumkritik mit der Entmythologisierung eines modernen Fetischs, der individuellen Freiheit, kombiniert. Vor einigen Jahren erschien seine EP „Indiviualism“, von der man „The Black Pile“ als eine Art Fortführung verstehen kann. Dass die Illusionsdurchbrechung weniger didaktisch, sondern in Form eines initiatischen Rituals daherkommt, macht das Konzept äußerst spannend.
Ziemlich unvermittelt wird der Hörer gleich zu Beginn in eine dunkle Parallelwelt geworfen, die mit ihrem geheimnisvollen Heulen, das mal an eine singende Säge, mal an seltsame Tiere der Nacht erinnert, wie ein nächtlicher Urwald anmutet. Als Wegweiser und Fahrschein in dieses Nachtreich fungiert lediglich ein fast schon hysterisches Sample, in welchem eine amerikanische Stimme über den Konstruktcharakter jeder Weltdeutung belehrt. Klingt die Polemik des Sprechers weniger treffend, wenn man weiß, dass er Jim Jones heißt? Nicht nur dadurch, sondern auch durch den weitgehend digitalen Charakter der filigranen Klänge, erweckt die Szenerie immer mehr den Eindruck eines künstlichen Ortes, der an die dunklen, unterirdischen Gärten Baudelaires und Georges mit ihrer leblosen Vegetation erinnern mag. Orte, an denen man alle Geschäftigkeit hinter sich lässt und zu einer fast schon brutalen Ruhe kommen muss.
Die repetitive Struktur der digitalen Lemurengesänge und das immer wiederkehrende metallene Rattern und Rasseln im Untergrund lassen jede vulgäre Zeit vergessen und stimmen den Hörer meditativ ein auf all die folgenden Epuptionen, die sich nach dieser relativen Statik fast unerwartet ereignen und sich in rauschender und dröhnender Schwere bis zum vulkanartigen Höhepunkt steigern. Der Fluss der Klänge stockt dabei allerdings nie, selbst beim chaotischen Abklang, wenn sich alles im hektischen Stimmengebell und durcheinandergewirbelten Klangschutt verliert. Bei weniger ritualaffinen Geistern wäre wohl schlicht Postrock oder Dronemetal daraus geworden.
Zum Abspann meldet sich dann auch die gesamplete Stimme noch einmal, um dem selbstzufriedenen, seinen permanenten Ausnahmezustand zur Norm verunklärenden Konsumsklaven die Luft aus seinen Illusionen zu lassen. Nun gilt Jonestown freilich als Exempel für das Scheitern übers Knie gebrochener Heterotopien. Auf „The Black Pile“ mag all dies als kleine Bruchstelle fungieren, die Tziis kritische Illusionszerstörung davor bewahrt, selbst wieder Illusion zu schaffen. (U.S.)
Label: Silken Tofu