Auch wenn mit Sielwolf und Nam-khar keine krassen Gegensätze aufeinanderprallen, sind die beiden im Raum Frankfurt ansässigen Projekte doch verschieden genug, um eine wenig vorhersehbare Kollaboration auf die Beine zu bringen. Die seit den späten Achtzigern aktiven Sielwolf fröhnen einem sperrigen Stil, der zwischen industriellen Soundscapes und derbem Crossover rangiert und auch aus den späteren Ambientarbeiten (z.T. veredelt von Mick Harris) nicht verschwunden ist. Das Kollektiv Nam-khar spielt einen rituellen Ambientsound, der wesentlich harmonischer angelegt ist und die Hörer eher durch Sogwirkung und atmosphärische Dichte herausfordert. Wo Sielwolf vertrackte Rhythmen und spontane Brüche einbauen, setzt Nam-khar auf dezente Ethnobeats und subtile Übergänge, der trockenen Apokalyptik der Band steht eine geheimnisvolle spirituelle Aufbruchstimmung gegenüber, die auch eine klassisch schöne Seite hat, so sehr der Kopf des Projektes sich auch immer wieder, wie er sagt, vom Leiden der menschlichen Seele inspirieren lässt.
Es ist meist etwas mühsam zu beurteilen, ob eine Kollaboration nun auf die Summe ihrer Teile hinausläuft oder dabei etwas Drittes entstehen lässt, schlicht weil Künstler sich ja auch im Alleingang entwickeln und neue Facetten hervorbringen. „Atavist Craft“ jedenfalls, eine Art Konzeptalbum, das der Wiederkehr des Archaischen nach dem Nierdergang der modernen Industriegesellschaft mit ihren ideologischen Kollateralphänomenen gewidmet ist und an dem Sielwolf und Nam-khar wohl zu gleichen Teilen gebastelt haben, ist reichhaltig in vieler Hinsicht. Vor allem die ersten drei Stücke sind reich an überraschenden Wendungen und spontan eingeschlagenen und wieder abgebrochenen Umwegen, bei denen die Musiker einiges in die Waagschale werfen – im körnig dröhnenden Opener „Ateul“ lassen verrottete metallene Klanglandschaften und rituelles Trommeln eine interessante Textur entstehen, die problemlos für sich wirken könnte, sich aber schnell als Hintergrund für mysteriöse Sounds schwer definierbarer Herkunft entpuppt. Bisweilen erschrecken aufblitzende Details, doch meist werden sie sehr dezent eingesetzt, sind laut genug, um nicht verloren zu gehen und wirken doch soweit im Hintergrund, dass sie v.a. die Fantasie beflügeln. Insgesamt breitet der Track ein recht weiträumiges Terrain aus, erst gegen Ende bündeln sich die Strukturen und münden in einen dichten, straight rhythmisierten Sound.
Die dunkle Stimmung und der Drang, die Hörer auf falsche Fährten zu führen, bilden auch den roten Faden für den weiteren Verlauf, wobei v.a. die mittleren Stücke „Amei“ und „Clost Indukt“ herausragen. „Amei“ ist pulsierender, gelöster, und könnte mit seinem unterschwelligen Rhythm Noise das Album noch in eine ganz andere Richtung lenken. Doch auch hier sind es Doppelbödigkeiten wie das kaum definierbare hintergründige Pfeifen, das man zunächst für einen Oberton halten könnte, die einen an der Einfachheit zweifeln lassen. „Clost Indukt“ ist ein wahrer Irrgarten, der zwischen urigem Klangschrott auch Schöngeistiges anklingen lässt. Längst hat man die anfangs noch interessante Frage, was wohl von Sielwolf, was von Nam-khar stammen könnte, aufgegeben und versucht, der zahlreichen Verstörungen Herr zu werden – dem unverständlichen Murmeln und Flüstern, den vermeintlichen Tierstimmen, dem intervallhaft anklingenden Blasinstrument, das ebenso sehr eine knarrende Tür sein könnte. Nach diesem Höhepunkt, der dem Hörer automatisch eine interaktive Rolle zuweist, gebärdet sich „Repron“ als lupenreiner Downer, der einen derart paralysiert, dass die rumpelnden Fässer ebenso wie die lieblichen Glöckchen am Ende nur noch vorbeiziehen. Vor dem vergleichsweise hellen Ausklang „Repron“ hätte ich mir dann noch einen weiteren wilden Strudel gewünscht, trotz des Eindrucks konzeptueller Stimmigkeit.
Letztlich lebt das Konzeptuelle auch vom Andeutungscharakter des ganzen, der allerhand Archaisches und Archetypisches anklingen und den Rezipienten mit den Assoziationen allein lässt – was immer dabei herauskommt, Nam-Khar sollte mit „Atavist Crat“ endgültig ins kollektive Gedächtnis subtiler Dröhnungen eingegangen sein, und im Fall von Sielwolf sollte das Album die Vorurteile all derer korrigieren, die bei dem Bandnamen lediglich an „Magnum Force“ und „Das neue Fleisch“ denken. (U.S.)
Label: Sombre Soniks