Macelleria Mobile di Mezzanotte, kurz MMM, ist wie eine Noireserie, die sich immer wieder fortsetzt, auch wenn man das nie erwartet, denn die einzelnen Folgen enden immer wieder in derart fataler Schwärze, dass der jeweilige Schluss allenfalls als Cliffhanger zu einem Nachruf taugt. MMM, das ist räudiger Dark Jazz mit Ambient-, Doom- und Noise-Zitaten und im Unterschied zu den ganzen Gebirgsformationen auf Denovali weit entfernt von jeder Entspannungsmusik. MMM, das ist auch die Geschichte abgeklärter Nihilisten in schäbigen Trenchcoats, die nur das Schattenspiel einer Jalousie von den geheimnisvollen Frauen trennt, die ungefähr so viel Skrupel kennen wie Marisa Mell in Fulcis “Una Su’ll Altra”, als sie gerade ihren Geliebten vor den Henker bringt und mit der gemeinsam gemachten Beute in eine ungewisse Zukunft aufbricht. Wäre der Film Noir dreißig Jahre später in MMMs Heimat Rom erfunden worden, so hätte nur deren Sound zur Untermalung gepasst.
Schon wenige Sekunden nach dem Aufsetzen der Nadel ist man mittendrin in einem Film, der “Tausend Zigaretten und ein Mord” heißen könnte. Geschmeidig schleicht sich das Böse auf nylonumschmiegten Zehenspitzen durch ein nächtlich schwüles Szenario voll bedeutsamer Schatten, zumindest lässt der entspannt vor sich hin tänzelnde Jazzbesen Bilder dieser Art entstehen, bis dass ein immer ätzender werdendes Dröhnen wie ein Gift eindringt und der Fantasie um die mysteriöse Lady auf dem Albumcover neue Nahrung gibt. Ein um besondere Raubeinigkeit bemühter und doch merklich verzweifelter Erzähler im Off deutet die Ereignisse auf Italienisch, dabei fällt auch der von Clive Barker entlehnte Bandname.
Was folgt ist in gewisser Weise die typische MMM-Mischung, “Slow” ist ein eher skelletiertes Stück und ganz auf den Vortrag der Spoken Words fokussiert, und erst mir der Zeit fällt auf, wie sehr der Raum auch hier nach und nach von einem dunklen Dröhnen erfüllt wird. Elektronica von auffallend grooviger Art findet sich im Titelsong, bei dem kreisende Synthieloops mit einer traurigen Trompete verschmilzen. Nur die Stimme schlägt den Bogen zu den anderen Stücken. Denkt man sie sich für einen Moment weg, fällt auf, dass die Musik weit weniger cool ist als es auf den ersten Eindruck scheint, viel eher wirkt sie tief melancholisch. Doch was will man machen, so ist die Welt eben, scheint die Stimme aus dem Off zu sagen. Im weiteren Verlauf gibt es experimentellere Stücke weit weg von jeglicher Songstruktur (“Da’ll ultimo addio”), Kakophones (“La semplitce arte di delitto”) und ein paar Minuten Wahnsinn, in denen sich selbst die ansonsten so abgeklärte Erzählerfigur nur noch in schrägem Gelalle auflöst (“Black Bird BeBop Benzedrine”).
MMM haben seit den späten 90ern nun schon eine kleine Wegstrecke zurückgelegt, begannen damals noch im Umfeld von Spiritual Front mit nosigen Soundkollagen und wenig subtilen Zitaten aus der Film- und Jazzgeschichte. Von diesem Ausgangspunkt an entwickelte die Band eine immer elaboriertere Hörspielversion des sogenannten Dark- oder Doomjazz. Mit “Funeral Jazz” folg nun etwas, das wie ein erzählerisches Resümee oder ein Abgesang anmutet. Doch die hartgesottenen Untoten von Rom wären nicht sie selbst, würden sie fortan in ewige Ruhe verfallen.
Label: Subsounds