Hätte der Wire über dieses Dominick Fernow-Album berichtet, wenn es bei einem ordinären Industrial-Label, sagen wir Freak Animal erschienen wäre? Vielleicht sind Phänomene wie Blackest Ever Black ja ein interessantes Experiment, insofern sie die These belegen, dass für die Bildung und Veränderung eines Kulturkanons der Rahmen immer wichtiger ist als das Bild oder was sich sonst so an Inhalt in ihm befindet. Wie dem auch sei, Fernow ist als treibende und in den meisten Fällen auch einzige Kraft hinter Hospital Productions, Prurient, Vatican Shadow und manch anderem längst eine kleine Institution in Dauerrotation, mit seinen zahlreichen Releases unterhält er Nerds und schlaue Leute und weiß gelegentlich sogar noch zu irritieren.
Vielleicht ist Exploring Jezebel sein spontanstes, trashigstes und am wenigsten elaboriertes Projekt, gewidmet sind die unter diesem Namen in größeren Abständen firmierenden Ergüsse der Welt des sogenannten Femdom, einem Teil des SM-Kosmos, der weiblicher Dominanz und der Unterdrückung des männlichen Gegenparts im Kampf der Geschlechter Raum gibt. Glaubt man dem Internet, so ist Femdom zumindest im Gros seiner Manifestationen eine Welt verschüchterter Männerfantasien, die sich v.a. kommerziell ausschlachten lässt, zum einen durch Videoproduktionen, zum anderen durch die Dienste von Dominas (wohingegen schnell der Eindruck entsteht, dass in privaten, auf beidseitiger Lust basierenden SM-Beziehungen viel eher die altbekannte patriarchale Rollenverteilung zur Kenntlichkeit entstellt wird, was sich oft auch in denjenigen fiktionalen Machwerken zeigt, die sich ausnahmsweise nicht an ein subkulturelles Publikum wenden).
Femdom im Sinne des von Fernow auf seinem neuen Album ausgeloteten Domina-Business ist ein ausgesprochen ambivalentes Phänomen, da die bedingungslose Unterordnung des Mannes unter die Macht der Frau grundsätzlich von der Tatsache konterkariert wird, dass Letztere vom Geld ihres Kunden abhängt und ihre Dienste dafür feilbieten, in vielen Fällen faktisch verramschen muss. Eine wirklich dominante Frau wäre nicht Domina, so könnte man das Dilemma auf den Punkt bringen, und vielleicht besteht der Trick des Konsumenten ja darin, die Wahrnehmung dieses Dilemmas weitgehend zu verdrängen und eine erotische Als-ob-Erfahrung zu genießen. Hat das ganze dennoch eine über den individuellen Kick hinausgehende, Werte und Konventionen zerstörende Seite?
Exploring Jezebels “On A Business Trip To London” rezipiert sich wie ein hastig protokollierter Bewusstseinsstrom an Klängen und verbalen Ungetümen. Neben dem analogen Rauschen, den PE-typischen Ultra-Distortions, den verfremdeten Glocken- und Stimmkakophonien, den trivialen Popzitaten und den Ohrfeigensounds, die dem Begriff handclaps eine neue musikalische Konnotation verleihen, fallen v.a. die langen assoziativen Tracktitel ins Auge – da wären Banalitäten wie “Luckily I was allowed to get dressed when I left the house” (wohl sein Part) und “I am made to greet each guest with a limp-wristed handshake” (wohl ihr Part), bisweilen aber auch interessantere Kontrastierungen: “Tennis has always been my life since I was a small boy in Mexico City. My father was the head gardener at an estate owned by a very important man and he used to take me with him so I could hit the balls on the court” klingt es wie aus einem Jetset-Idyll. Wenn die gleiche Person konstatiert “Since I am on a strict 500 calorie a day diet with extensive exercise and no alcohol, I have the shape of a petite little woman, and my wife has paid for breast implants and facial surgery to make me more acceptable”, dann wurden zumindest ein paar gängige Ideale unter dem Lackstiefel zerstampft.
Überinterpretiert? Vielleicht. Doch irgendwie streift Exploring Jezebel all jene Dinge in diesen rund fünfzig Minuten Trash, die musikalisch wohl niemandem als Meilenstein in Erinnerung bleiben werden.
Label: Blackest Ever Black