Dass der Titel „Doropea“ wie ein Personenname klingt, könnte mit dem äußerst lebendigen Bild zusammenhängen, dass Fabrizio Modonese Palumbo auf dem so betitelten Tape-Album von seiner Heimatstadt Turin zeichnet. Ohne den zusätzlich eingeschmuggelten Vokal wäre das Wort lediglich eine annagrammatische Verschachtelung der Namen zweier Flüsse, die an diesem Ort zusammenfließen: der bekannte Po und die kleine Dora, auch genannt Dora Riparia. Mit Mitteln, die einem von dem früheren Aufnahmen des Larsen- und Blind Cave Salamander-Musikers, der auch als “(r)” firmiert, her bekannt sind, zeichnet er zunächst ein eher ruhiges, fast verbummeltes Bild der Stadt, in der scheinbar ruhige Gewässer gemächlich an Altbauten und mit Koniferen gesäumten Uferpromenaden vorbeifließen.
Das Stück, das die erste Seite ausfüllt, zeigt „Doropea“ von seiner gemächlichen Seite, lässt zunächst nur monotones Brummen erklingen, erst durch ein paar sorgsam dosierte Anschläge am Klavier und das dezente Summen eines Streichinstrumentes kommt etwas Bewegung ins Bild – das könnte der Hintergrund sein für den Auftritt eines der vielen Gastsänger, die in Palumbos früheren Arbeiten – man denke an Little Annie, Michael Gira, David Tibet, Ernesto Tomasini – oft erst für Dramatik sorgten, doch diesmal nimmt der Musiker selbst den vorderen Bühnenbereich ein und geht weitgehend instrumental zu Werke. Erst mit der Zeit merkt man, dass auf diesem Weg eine melodische Spannungskurve aufgebaut wird und das Klangbild sich in seiner Dichte steigert. Zu einer unerhörten Begebenheit kommt es jedoch nicht, zu gut fügen sich kleine Klavierakkorde, die wie Stromschnellen anmuten, und das Knattern undefinierbarer Soundquellen in den Fluss der Klänge ein.
Dass „Doropea“ v.a. live ein Kracher ist, dankt sich der zweiten Seite, die sich im Laufe der Komposition wesentlich dynamischer gestaltet, auch wenn sie zunächst ganz anders, nämlich mit einem zünftigen Schnarchen beginnt. Wabernde Orgelklänge bringen eine amerikanische konnotierte Edward Hopper-Stimmung ein, die sich sonst eher auf seinem Coypu-Projekt mit Ben Chasny und anderen findet, aber auch in einigen der vokallastigen Stücke aus Palumbos Liverepertoire, bei dem er wie ein Leonard Cohen-Zombie durch ein merkwürdigen imaginären Roadmovie torkelt. „Doropea pt. 2“ ist rauer und sampleorientierter, die tremolierenden Orgelklänge und das rhythmisch Wasserrauschen sorgen für eine Hypnotik, die gegen immer mehr anschwillt und sich in sturzbachartigem Lärm entläd. Aqua Alta im Piemont?
Gerüchten zufolge soll es von dem Tape noch das eine oder andere Exemplar geben, der Rest ist bandcamp und in jedem Fall ein Release, dass sich dazu eignet, Palumbo als Solomusiker kennen zu lernen.
Label: Old Bicycle Records