Denkt man an doomige, dronige oder sonstwie dunkle Klangwelten, die mit Jazzelementen angereichert sind, dann entsteht schnell die Vorstellung eines doch alles in allem runden und harmonischen Hörerlebnisses, aller düsteren Hardboiled-Melancholie zum Trotz. Der imaginäre Thriller entpuppt sich als lineares Narrativ mit klarer Schlussgebung und nicht als surrealer Trip durch unwegsames Gelände. Natürlich ist diese Assoziation naheliegend angesichts einiger recht populärer Musik, die gerade in unseren Breiten aufgenommen oder veröffentlicht wird. Dass angejazzte Slowtempo-Musik auch sperrig und voller Ungereimtheiten sein kann, demonstriert zum dritten mal das Mailänder Quartett mit dem einprägsamen Namen Satan is my Brother.
Die fünf Musiker sind in ihrer Region keine Unbekannten und außerdem in weiteren lokalen Acts aktiv, als Brüder des Leibhaftigen veröffentlichten sie bereits zwei Longplayer, die sie mit einer gewissen Geduld im Abstand von jeweils vier Jahren herausbrachten – dunkle Scores aus verrauschtem Shoegazersound und einem verstörenden Zeitlupengroove, dem auch die frei gespielten Bläserparts keine Geschmeidigkeit verleihen konnten.
Die bildliche Selbstbeschreibung der Musik als einer Flucht durch irdische und unterirdische Regionen passt ganz gut zum neuen Album „They Made Us Climb Up Here“, das fünf eng miteinander verknüpfte Kompositionen enthält. Und die sind so düster und beklemmend, wie man sich Dantes und Vergils Weg durch Fegefeuer und Inferno vorstellt – ein nicht nur in Italien bekannter Stoff, der wohl zur Inspiration diente. Unter düsterem Sound darf man sich hier aber kein aufdringliches Pathos vorstellen, denn die kratzige, verrauschte Beschaffenheit der Klänge, die gelegentlich an prasselnden Regen erinnern, ist eher spröde.
Immer wieder bringen die groovigen Anteile einen gewissen Wohlklang ein, der allerdings einen doppelten Boden hat, denn die Saxophon- und Posaunenparts, die bei Kollegen wie Bohren und diveren Doomjazz-Ensembles stets sauber und harmonisch klingen, gefallen sich hier vielmehr in schrillen Tupfern und schnatternder Atonalität. Die Drumsection tänzelt hier und da beschwingt und ist dabei doch so ungerade, dass man beim Schwofen einen Beinbruch riskieren würde, und nicht selten erinnern die Takte an ein sich anbahnendes Metalintro – nicht, dass diese Erwartung erfüllt werden würde.
Die hier präsentierte Verfolgungsjagd, bei der man nie wirklich weiß, ob man sich in der Perspektive des Jägers oder des Gejagten befindet, klingt so sehr nach Surrealismus und den Kehrseiten einer Traumfabrik, dass man glatt einen Querverweis zu Lynch wagen könnte, aber zum Glück nicht muss. (A. Kaudaht)
Label: Boring Machines