MAJA OSOJNIK: Let Them Grow

Die in Wien lebende Sängerin und Klangbastlerin Maja Osojnik arbeitet seit den frühen 90ern mit zahlreichen Gruppen zusammen und wirkte an mehr als zehn Alben maßgeblich mit, die in die unterschiedlichesten musikalischen Himmelsrichtungen drängten. Kurz vor ihrem vierzigsten Lebensjahr bringt sie (nach einem vor sechs Jahren erschienenen Polka-Album) ihre erste nur auf Eigenkompositionen basierende Solo-Platte heraus, und nach eigenen Angaben ist das stark persönlich gefärbte „Let Them Grow” das Resultat eines kontemplativen Rückzugs, einer intensiven Introspektion, hervorgerufen durch das Gefühl, dass die Unsicherheit in der Welt mit zunehmender Erfahrung nicht abnimmt, sondern zum Teil noch an Irritation gewinnt. Osojnik stellt Fragen nach dem Selbst und seinen Konstruktionen, aber auch nach den vielen Abspaltungen, die nötig sind, um zu wissen und zu fühlen, was man nicht ist. Damit zusammenhängend natürlich auch nach der Liebe und allgemein nach dem Bezug zum Anderen.

Was dabei herausgekommen ist, gebärdet sich in seiner Vielgestaltigkeit als derart enzyklopädisch, das man kaum weiß, wo man einsteigen soll. Man könnte es mit dem kernigen, von gehauchten Seufzern durchwirkten Basssound des Openers versuchen, der als Boden herhält für einen Monolog, der dem Anderen durch Selbstverleugnung eine wahre comfort zone verspricht, und natürlich generell bei der Vielzahl an zu neuer Kenntlichkeit entstellten Sounds aus unterschiedlichen Quellen. Ebenso gut bei den Kaskaden aus verzerrtem Noise, die in „Condition I” den perfekten Hintergrund abgeben für unerbittliche Riot Grrl-Shouts:  „So COME OUT you rotten cocksucker, here’s your fucking POP SONG” – der Kontrast zur entspannten Aura, die Osojniks kraftvolle Stimme an anderen Stellen entfaltet, könnte größer nicht sein. Einen ebenso guten Eingang versprechen die holprigen Loops, die in „Condition ll” ganz für sich wirken und in „Let Them” zu einem düsteren Clubhit geraten, der nicht weiter entfernt sein könnte vom einem jazzigen Torch Song wie dem herausragenden „Pale April”.

Wer in „Let Them Grow” einen oberflächlichen harmonischen Zusammenhang sucht, wird enttäuscht werden und das Album als krudes Sammelsurium heterogener Ideen betrachten, die alle für sich das Zeug zu einem Album hätten. „Let Them Grow” hat so viele Eingänge wie der Bau in Kafkas berühmter Erzählung und scheint doch kaum auf Rätselhaftigkeit hin ausgerichtet zu sein, sondern erscheint vielmehr als Ausdruck einer Irritation, bei der die Verschiedenartigkeit der Details mit all ihrer Übergangslosigkeit selbst den rote Faden bildett. Die beste Voraussetzung also für ein Album, bei dem man auch nach mehrmaligem Hören immer weitere Facetten entdecken kann. (U.S.)

Label: Rock Is Hell Records