Es macht überhaupt nichts, dass Matt Elliotts Gitarrenspiel immer etwas improvisiert und sprunghaft wirkt, auch nicht, dass seine gesamte Instrumentierung manchmal einen spontan zusammengezimmerten Eindruck macht und er sich auch beim Gesang ein paar Nachlässigkeiten erlaubt – nicht nur weil das an sich schon ganz charmant sein kann, sondern weil er stattdessen über eine ganz andere Qualität verfügt: Elliott ist ein Meister der ungreifbaren Stimmungslagen, die ihre verschiedenen Nuancen oft erst nach mehrmaligem Hören entfalten.
Die Geschichten, die er in seinen Songs skizziert, ereignen sich nicht selten knapp vor dem nächsten Abgrund, und er erzählt sie mit einer aufrichtigen Unverblümtheit, Songs heißen bei ihm schon mal “Prepare for Dissappointment” oder “If Anyone Tells Me ‘It’s Better To Have Loved And Lost Than To Never Have Loved At All’, I Will Stab Them The Face”. Ein abgeklärter Hardliner jedoch ist er nicht.
Es gibt in der Hinsicht zwei Songtypen bei Elliott. Da wären zum einen Stücke von beinahe gemütlicher Entspanntheit, die gerne mal nach müder Seemansart ins walzerhaft Schunkelige kippen und deren introvertierte Stimmung eher verbummelt als verzweifelt anmutet. Dann aber auch solche, die vor Wehmut fast zerplatzen. Letztere scheinen mir die stärkeren zu sein, doch wie dem sei, sein gerade erschienenes Album setzt gerade in der Hinicht auf eine deutlichen Steigerung, denn die unspektakuläre Zurückhaltung zu Beginn – das kurze Intro mit pastoralen Gitarren und summendem Kontrabass wirkt noch etwas hausbacken, nur ein paar ganz versteckte Klaviertupfer geben dem Szenario ein bisschen Magie – erweist dich im Verlauf als trügerisch. Schon im darauf folgenden Titelsong, bei dem Elliotts Stimme ganz intim nach vorn gemischt ist, braut sich im Laufe der Zeit ein kleiner Sturm zusammen, der gegen Ende geradezu heftig wird. Es war eben the calm before…
Diese chansonhafte, nur leicht bitter eingefärbte Eindringlichkeit kommt dann endgültig in “The Face of St. Stephen” zum Zug, das im Unterschied zu typischen Matt Elliott-Songs nicht mit zwei bis zehn Minuten Gitarre oder Piano beginnt, sondern gleich in der ersten Sekunde auch textlich zur Sache geht. Mit Phrasen wie “And you forgive the choire master as if you hadn’t seen that he has tried to fuck your daughter when she as just foreteen” zeigt Elliott ordentlich Zähne und lässt auch sonst kein gutes Haar an der Institution Kirche, und nach diesem Durchbruch kennt seine melancholisch getönte Aggressivität kein Halten mehr.
“I only wanted to give you everything” ist ganz klar der Höhepunkt des Albums, selten wurde der Kampf um Genügsamkeit angesichts einer enttäuschten Liebe so furios in Szene gesetzt wie in diesen zehn Minuten spanischer Gitarren und hölzerner Snaredrums, in denen manches textliche und musikalische Aufbäumen aller Abgeklärtheit einen Strich durch die Rechnung kratzt, denn hier geht es unmissverständlich um Großes. “Wings & Crown” mit seinem arabisch anmutenden finger style steht dem musikanisch in nichts nach, und danach darf auch eigentlich nichts anderes mehr kommen als der besinnliche Ausklang von “The Allegory of the Cave”.
Label: Ici d’ailleurs