BLACK SUN PRODUCTIONS: Toilet Chant

Vor rund vier Jahren gab die Schweizer Musik und Performance-Gruppe Black Sun Productions ihre Auflösung bekannt, um fortan in anderen Projekten aktiv zu sein, jüngst erfuhr man, dass die Mitglieder Massimo und Pierce wieder ihren alten Namen Anarcocks benutzen. Rückblickend muss man sagen, dass sie ein ungewöhnliches und bemerkenswertes Phänomen waren, denn ihre Nähe zu Coil war mit keinem anderen mir bekannten Fantum vergleichbar: Ihnen fehlte das Verdruckste, gewollt eigenständige, das Bemühen, jemand anderes zu sin und zugleich unter den Teppich zu kehren, dass es diesen anderen schon gibt. Und genau so wurden sie zu einem größeren Original, als sie es durch jede scheinheilige Abgrenzung geworden wären. Die großen Brüder dankten es ihnen bekanntlich durch Adoption, der Rest ist ein interessantes Kapitel experimenteller, queerer Kulturgeschichte.

Ihre Auflösung war in sofern konsequent als sie immer an den „Immortal Coil“ orientiert waren und nach dem bekannten Lauf der Dinge kein Museum betreiben wollten. Aber beenden heißt nicht ad acta legen,und so erblicken gerade zwei vergriffene Arbeiten des Duos erneut und auf chicem Vinyl das Licht der Welt.

Das frühe Werk „Toilet Chant“ erschien erstmals vor zwölf Jahren im Eigenvertrieb, einige der Stücke wurden etwas später in überarbeiteter Form auf der 2CD verbraten, nun erscheint das Album noch mal in Gänze. Da die ständigen Coil-Vergleiche vor allem den, der sie ziehen muss, doch nerven, soll hier nur allgemein angemerkt werden, dass viele der Sounds und Arrangements aus der ersten Coil-Zeit stammen könnten. In der repetitiven Struktur vieler Stücke des Duos (und damalige Trios, denn es wirkte noch draZen mit) gibt es eine Rhythmik, die meist ohne Beats im engeren Sinne auskommt, im eröffnenden Titeltrack, dessen undefinierbare Sounds ein subtiles infernalischen Glühen andeuten, wagen die Takte sich gerade soweit aus der Deckung, um das Mysteriöse nicht preiszugeben. Eben so geheimnisvoll wirkt das alles verschluckende Dunkel und die an Schreie erinnernden Synthies in der ironisch betitelten Selbsthommage „Anarcocks Rising“, deren technoide Grundierung gegen Ende noch einmal in Schwung kommt.

Wegen der Vocals von John Balance muss man „E2 = Tree 3“ als das Herzstück des Albums betrachten. Sein unvergleichliches Heulen maht nach all den Jahren deutlich, wie sehr er fehlt und wie sehr auch sein Charisma fehlen würde, wenn er nicht immortal wäre. Musikalisch ist die zweite Seite m.E. die stärkere: „Yesterdays Dream“, das fast Songqualität hat, der nach futuristisch verfremdeten orientalischen Duduk-Sounds klingende „Glüewürmlitanz“, am meisten aber das ultrahypnotische „Spermatic Cord“, das mit seinen tremolierenden Loops in die Kategorie „Album im Album“ gehört und den Klogesang in ambienter Harmonie zum Abschluss bringt.

Mit neuem Artwork der Künstlerin Ruth Stofer erscheint „Toilet Chant“ nun erstmals auf Vinyl, in der Art Edition kann man das Album 33mal zusammen mit der EP „Dies Juvenalis“ und dem nur hier erhältlichen Live-Mitschnitt „Once in a Full Moon“ (vielleicht noch) erwerben. (U.S.)

Label: Hallow Ground