WOLFRAM: X

In seiner polnischen Heimat gilt der als Wolfram bekannte Elektronik- und Ambientmusiker als ein Musterbeispiel für den Grundsatz, dass man am besten dann aufhört, wenn es gerade am besten läuft. In den Jahren nach dem Millennium avancierte er zu einer Größe im regionalen Underground, brachte einige CDr heraus und krönte den Schaffensabschnitt mit einem soliden Album bei Monotype. Danach verschwand er für einige Zeit aus der Wahrnehmung der Musiknischen, in denen nun eine internationale Karriere hätte starten können.

Statt im gerade gestarteten Zug weiterzufahren streckte er die Fühler in intermediale Terrains aus, ließ sich Zeit und brachte vorhandene und bisweilen auch neukomponierte Musik im Kontext von Installationen, Theater-Performances und Filmen unter. Nach elf Jahren erscheint nun erstmals wieder ein rein musikalisches Werk des Künstlers.

Mag die Arbeit im visuellen und performativen Bereich seine Sinne für Strukturen und Stimmungen auch geschärft haben – sein Interesse an verstörenden Soundscapes im Grenzgebiet von Ambient, Noise und eleganter Producermusik ist so aktuell wie eh und je. Das lakonisch „X“ betitelte Album beginnt mit einem sukzessive dichter werdenden Rauschen und Summen, das verdächtig nach einem Inseltenschwarm klingt, ein Eindruck, den der Titel des Openers „W:X:swarm“ dann auch untermauert. Wolfram arbeitet jedenfalls gern mit Field Recordings.

Wolfram ist Meister darin, die Hörer in trügerischer Sicherheit zu wiegen und sie erst mit der Zeit spüren zu lassen, dass sich die Settings seiner episodischen Klangwelten geändert haben. Das passiert schon recht früh, wenn das Summen in tobendes Gewitter übergeht, aber auch wenn man sich kurz darauf in einer ambienten Parallelwelt wiederfindet, in der man von leise tremolierenden Wellen an unbestimme Orte getragen wird.

In solchen Klangfahrten, die man je nach eigener Stimmung als meditativ oder als zwiespältige Regression erleben kann, passiert man minimale Pianotupfer, Sinuswellen und Orte von wohlkalkulierter Schroffheit, und immer wieder mag man sich bei plastischem Rumpeln und Rumoren oder verdrehten Vokalparts fragen, was da eigentlich gerade passiert.

Doch die Frage ist nicht allzu dringlich, denn bei all dem Auf und Ab an lauten und leisen, dramatischen und zurückgenommenen Wegstrecken, weiß ein geerdeter Hintergrundsound das Ganze in einen meditativen Rahmen zu setzen, der alle Unterschiede letztlich versöhnt. Schönes Album, ganz Schnelle sind angehalten, die Augen nach einer Sonderedition aufzuhalten – diese belohnt fünfundzwanzig Fans mit zusatzmaterial auf unterschiedlichen Medien sowie Artwork der aus dem Umfeld von Current 93 bekannten Malerin Aleksandra Waliszewska.

Label: Monotype