Als der für amaricanalastige Folkvariationen bekannte Rella The Woodcutter vor zwei Jahren mit einem rhythmusbasierten elektronischen Album überraschte, wurde das hier und da noch als Experiment betrachtet, doch wie heißt es so schön: Das beste Mittel gegen das Image als Eintagsfliege besteht darin, einfach konsequent weiterzumachen, und Everest Magma tat dies mehrfach live, u.a. im Vorprogramm einer Soloshow von Thighpaulsandra, und seit kurzem auch auf einer neuen LP, die sich im Vergleich zum Debüt merkbar geradliniger und griffiger gibt.
In den meist eher kurzen Stücken, deren Eispickelbeats oft stark nach vorn gemischt sind und gerne wie Auftakte zu Hiphop- und Dancehall-Nummern anmuten, spielt Rella mit Vorliebe mit den Möglichkeiten des Fragmentarischen und mit allerlei ungewissen Andeutungen: Subkutane Stimmen, die oft nur ungenau als solche erkennbar sind, viel Gefrickel, undefinierbare Samples und immer wieder unordentliche Rhythmen, die sich schneller ändern, als man versuchen könnte zu ihnen zu tanzen, was ohnehin eine besonders begabte Motorik erfordern würde.
Immer wieder durchbrechen in Tempo und Ereignisreichtum zurückgenommene Passagen das Programm und sorgen für eine trügerische Konzentriertheit, doch auch wenn es aggressiv und dynamisch zugeht, setzt man statt auf Masse und Opulenz auf ein spartanisches Gerüst und die Möglichkeiten, die ein solches zur Verfügung stellt. Zu den besten Ideen unterwegs zählen die Effekte, die sich aus dem Gegensatz von entrückten Glöckchen und einer brachialen Steinlawine an Highspeed-Rhythmus ergeben und die fast dubbigen Raumklangeffekte zum Schluss.
Hand auf’s Herz, ich würde es begrüßen, wenn es auf Dauer Everest Magma und Rella the Woodcutter gäbe, denn die spröde angeblueste Folkart des Italieners hat hierzulande nie die verdiente Aufmerksamkeit gefunden und hat sein Potential m.E. auch längst nicht voll ausgeschöpft. Insgesamt bewerte ich die Hinwendung von Folk zu Electronica bei ihm aber nicht so naserümpfend wie bei vielen anderen, die diese Wandlung nach dem Ende von Weird-, Free- und sonstigem Folkhype etwas zu vorhersehbar vollzogen haben.
Warum? Weil Rella an keiner Stelle versucht, seine Musik halbherzig in ein nun trendigeres Gewandt zu packen und dabei so tut, als habe sich das alles nur zufällig aus der Logik des nicht Stillstehens ergeben. Zu radikal ist der Bruch zwischen den beiden Ästhetiken. Dass man einige der bekannten (bluesigen) Harmonien und Stimmungen jedoch auch hier in Variation erleben kann, ist ein interessanter Bonus – und zugleich ein Stachel im Arsch, denn immer wieder fragt man sich, ob man sich das alles nicht doch nur einbildet. (U.S.)
Label: Boring Machines