In den letzten Jahren scheint es ein großes Interesse an Inside Piano-Techniken zu geben, bei denen die Tasten ruhen und der Musiker unmittelbar auf die Saiten und diverse andere Komponenten zugreift. Bei vielen Ansätzen meint man geradezu einen Wetbewerb zu erleben, bei dem versucht wird, dem Klavier gerade die Töne zu entlocken, die am weitesten von seinem konventionellen Klang entfernt sind.
Die aus Kasachstan stammende Pianistin und Komponistin Angelina Yershova kombiniert auf ihrem neuen Album (meist) minimales Tastenspiel mit der Auslotung verschiedener Möglichkeiten, die die Bestandteile des Klavierinneren und ihrer elektronischen Verfremdung zu bieten haben.
Der metallische Klang der gestrichenen, gezupften oder perkussiv bearbeiteten Saiten, ihr Summen, Knarren und Vibrieren im Resonnanzraum des Instruments, dazu die mechanischen Klänge von Hämmern und Pedalen und nicht zu vergessen das Holz des Gehäuses – Yershova zaubert aus diesen Komponenten eine rauschende Hülle für ihre hellen, mollastigen und hier und da leicht jazzigen Tastenanschläge, und wenn diese von der Bildfläche verschwinden, übernehmen kristalline Drones ihren Part.
Yershovas unberechenbare Klangvariationen wirken wie dunkle Traumsequenzen, oder, wie es das Label beschreibt, wie ein Abtauchen in die Dunkelheit der eigenen inneren Tiefe. Über weite Strecken kommt dieses Abtauchen aber ohne abgründige Dramatik aus, wirkt hintergründig und fordert eine gewisse Aufmerksamkeit. Lässt man sich darauf ein, dann bemerkt man schnell eine Kontinuität zwischen den abstrakteren Parts und den Enklaven, in denen glockenartiges Bimmeln für Aufhellung oder gelöste Holzperkussion für Dynamik sorgen. “Piano’s Abyss” erschien bereits vor einem Jahr – ein Zeitraum, in dem Yershova nicht untätig war. Mehr dazu recht bald. (U.S.)
Label: Twin Paradox