Mauro Teho Teardo hat hierzulande nie die seinem Output angemessene Aufmerksamkeit erhalten, und als vor einigen Jahren seine erste gemeinsame LP mit Blixa Bargeld erschien, hielten es viele zunächst für ein weiteres einmaliges Seitenprojekt des Sängers der Einstürzenden Neubauten. Nach zwei weiteren gemeinsamen Veröffentlichungen und der Erfahrung, dass Teardos leicht elektrifizierte kammermusikalische Arrangements sehr stimmig mit dem gewohnt sperrigen Beitrag des Berliners interagieren, betrachteten einige Kommentatoren das Duo nun als ein den Neubauten fast ebenbürtiges Dauerprojekt. Zur Unzeit im etwas ins Stocken geratenen Frühling erschien vor Kurzem die EP „Fall“, die nich nur vom Titel her auf die vor zwei Jahren herausgekommene EP „Spring“ Bezug nimmt und auch einige Ideen der anderen Releases wieder aufgreift.
Teardo und Bargeld haben offenbar ein Faible für populäre, von Punk, Wave und allen Avantgarden noch unberührten Rocksongs. Was sie mit ihnen anstellen, ist nicht sonderlich weltbewegend, aber durchaus nett gemacht. Wie auf „Spring“ der Oldie „Crimson and Clover“ von Tommy James & The Shondells wird hier Neil Youngs „Hey, Hey, My, My“ in ein von Klarinetten und Streichern dominiertes Gewand gepackt und von Bargeld auf gewohnt dunkle und kauzige Art intoniert. Wenn diese Stimme, die das Echo zahlreicher Neubauten-Stücke im Schlepptau hat, behauptet „rock’n'roll will never die“, so soll das sicher auch die Frage nach Ironie und Ernsthaftigkeit des Ganzen provozieren – meines Erachtens macht gerade die zum euphorischen Text nur bedingt passende abgeklärte Darbietungsweise den Song erst glaubwürdig, denn sie verleiht ihm einen Schuss Tragikomik.
Die drei anderen Songs geben sich musikalisch ähnlich harmonisch, sind jedoch weit weniger songorientiert, sondern eher musikuntermalte Rezitationen. In „Ziegenfisch“, das die beiden gemeinsam verfasst haben und das ein wenig an „Millions of Eels“ von der Vorgänger-EP erinnert, wird unter vielfarbigem Zittern und Tremolieren das Fabeltier, das in der Astrologie dem Steinbock entspricht, als ein aus dem Ozean gestiegener Kulturbringer gezeichnet, der den Menschen Logos, Schrift und Kunst gegeben hat, so dass sie keine Mängelwesen mehr sein mussten. „Metzeln, Morden, Meucheln, Töten“ erklingt es stakkatohaft im ansonsten italienisch gesungenen „Testosteron Sklaven“, dessen ätzende Botschaft zu politisch für das letzte Album war, für das es eigentlich gedacht war. Auf den Strudel aus Ambient, Rock und Neuer Musik folgt mit „Biancissimo“ – „Das weißeste Weiß“ und somit ein Gegenpol zum letzten Albumtitel „Nerissimo“ – mit seinem fast besinnlichen Gitarren- und Streicherklängen ein harmonischer Ausklang.
Es geht also weiter. Ob sie die anderen Jahreszeiten auch noch in derart verdichteten EPs abarbeiten werden – ich hätte nichts dagegen, erst recht nicht, wenn dazwischen, wie gehabt, jeweils noch ein Album käme. (U.S.)
Label: Spècula Records