Der französische Tüftler Bastien Boyarin hat das Zeug, die schönste und radiotauglichste Popmusik zu komponieren, denn einige seiner offensichtlichsten Komponenten wären dazu mehr als geeignet. Da wären zum einen Bach-Fugen mir Piano, Streichern und Bläsern und überhaupt so manch barocke Zutat, Bauformen, denen schon Nyman und Greenaway ein vitales Nachleben beschert hatten. Desweiteren eine Musik, die in den Sechzigern und Siebzigern gerne in Filmscores verwendet wurden, Easy Listening-Kram inklusive kindlicher Spieluhren und einer hauchfeinen Frauenstimme, mit dem Komponisten wie Morricome und Bruno Nicolai so manchen Thriller mittels einer gewissen Süßlichkeit noch spannender wirken ließen. Dies wird hier in ein Songformat gepackt, bei dem der vordere Bühnenrand für melodischen Gesang reserviert ist. Mit all dem im Gepäck könnte man nun gut gestylte Popmusik zaubern, die tausenden Flipflopsträgern die Sommermonate versüßt, doch Boyarin denkt gar nicht daran, seine Ideen für Lieschen Müller zu verwursten.
Dass soll nicht heißen, sein Debütalbum sei schräg, denn allenfalls ist es dies ein bisschen. Alles fängt mit „Fungus“ recht beschaulich an, tremolierender 60s Pop lässt eine heitere Szene mit Cabriofahrt und einem Model mit großem Hut vor dem gesitigen Auge lebendig werden, nur gibt es da eine gewisse Sprödigkeit, und der Skabeat, der sich fast unbemerkt hinzuschleicht, passt auch nur so ungefähr. Viele Tracks sind verhinderte Popsongs, da der Gesang, bei dem man oft nicht weiß, ob er einer weiblichen oder einer männlichen Stimme zuzuordnen ist, etwas verschwommen und verhunzt ist, und die Musik wie bei „Useless Lights“ in ein unklares, verschwommenes Licht taucht. Verschiedene Tempi wirken wie übereinander gelegt und wirken sich gerade soweit verfremdend aus, dass sie beim griechischen Folkkolorit in „Oliphaunt“, beim Chembalo-Einsatz in „You“ und bei dem feierlichen Gesang in „Emergency Exit“ die Ohrwurmqualität nicht wirklich antasten. Und doch wirkt alles irgendwie herrlich durcheinander.
„Invasions“ ist für mich das Stück, in dem sich alles bündelt, und das auch am experimentellsten, wenn man so will, herüberkommt: Barock und Giallo verschwimmen zu einem seltsamen Hybriden und ziehen im Zeitrafferverfahren am Hörer vorbei, im Gepäck jede Menge Hauchen, Seufzen, Rassel, Klappern, der Klang von Oboen und weiß der Geier, was Boyarin da noch gesamplet hat. Das alles könnte kräftig in die Hose gehen und zu einer albernen Ideenpräsentation verkommen, tut es aber nicht, denn Boyarin und seine namenlose Sängerin verstehen all dies durch subtile Bande irgendwie im Fluss zu halten. Dank Nick Grey (vom Random Orchestra), der hier auch das eine oder andere Knöpfchen gedreht hat, auch auf unsere Seite des Rheins übergeschwappt. (U.S.)
Label: Figurines Music