Loke Rahbek, Chef des Posh Isolation-Labels, ist mit seinen zahlreichen Projekten in ebenso zahlreichen Sparten unterwegs, oft um deren Erwartungshaltungen zu bedienen und gleichzeitig zu enttäuschen. Dass Croation Amor bisher als Rahbeks Industrialprojekt galt, hört man dem aktuellen 4-Track-Release kaum mehr an, zumindest nicht bei oberflächlicher Betrachtung der Musik und mit einer gewissen Klischeevorstellung im Hinterkopf, wofür so ein Begriff zu stehen hätte.
Basismaterial des Albums ist ein Sound, dem in der allgemeinen Wahrnehmung wenig Experimentelles oder „Post-industrielles“ anhaftet, gleichwohl er vor versteckter Ironie ebenso strotzt wie vor ästhetischer Brechungen, aber dazu später. Fein verarbeitete, fast sanfte Elektronik cheesiger Art in „Sky Walker“, dazu passend chorartige Einspielungen, die von Zeit zu Zeit recht penetrant in den Vordergrund gemischt werden; Beats und (zu) eingängige Synthieflächen in „Keepers“, dazu verträumte Melodie- und Harmonie-Ansätze, die sich in einer verschwommenen orchstralen Soundsuppe drehen und winden und ab und an an der Oberfläche zeigen; wellenförmiger Schmuseambient im Titeltrack, dazu passend verschlafene Gastvocals von einem gewissen Khalil; Handclaps und schwermütige Synthies in „Breathe into me“, passend zum betont ernsten Ausklang ein romantischer Regenschauer.
Platt wäre es, dem Kitsch – den man ironisch interpretieren kann, den man aber ebenso gut nach einschlägiger „Ich sehe was, was du nicht siehst“-Manier als ernst verkaufen könnte – mit allzu offensichtlichen Schroheiten zu kontrastieren. Viel subtiler Croatian Amors Methode, Atypisches, Zerfleddertes, Verdrehtes (mysteriöse Schritte im Schnee plus atemloses Keuchen, Industriesounds, gepitchte Vocals, fast versteckte Fetzen irgendwelchen Gebrülls) so einzubauen, dass es nicht mehr stört, und so die nette Elektronik fast unbemerkt verändert. Ästhetisch muss man das nicht mögen, aber es hat seinen Reiz und kann nur jemandem gelingen, der mit der perfekten Balance aus Respekt und Respektlosigkeit gegenüber musikalischen Möglichkeiten vorgeht.
Beim letzten Album „Love Means Taking Action“ stellte Croatian Amor das gesamte Rohmaterial der Musik frei als Download zur Verfügung, damit all seine Fans frei nach Brecht nicht so romantisch glotzen, sondern ihre jeweils eigene Croation Amor-Version auf die Beine stellen. Wie viel dabei herumgekommen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Was Rahbek selbst sich unter radikaler Verwurstung vorstellt, illustriert „Finding People“ aber ganz gut.
Rahbek hat hier mehr denn je ernst gemacht mit seiner Selbstbezeichnung als „Bubblegum Industrial“ und einen besonderen Schwerpunkt auf Bubblegum gelegt. Croatian Amor steht, wie Rahbeks Label generell, für eine Ästhetik, die ganz unterschiedliche Communities erreicht, von Klugscheißern, Trend Victims und Industrial-Kennern gleichermaßen wahrgenommen wird. Gerade im letzteren Bereich stellen Stilbrüche dieser Art (ähnlich zuletzt der „Wild Palms“-Kassette, die nur gegen Nacktfotos der Abnehmer erhältlich war) eine Besinnung back to the roots dar, ein Zeichen gegen öde Traditionsbildung und eine immer wieder überfällige Frischzellenkur. Die hippe Fraktion hat all dies natürlich nicht nötig und zuckt betont cool die Achseln. (J.G.)
Label: Posh Isolation