KATARINA GLOWICKA: Seven Sonnets

Wenige außerhalb der Anglistik und erst recht außerhalb des englischsprachigen Raums kennen heute Sir Philip Sidney, Edmund Spenser und andere Verfasser von Sonetten aus der Zeit von Königin Elisabeth I an der Schwelle zum 17. Jahrhundert. William Shakespeares Gedichte dagegen, gleichwohl „the bard“ primär für seine Dramen bekannt wurde, sind in den folgenden Jahrhunderten nie aus der Mode gekommen, haben spätere Dichter inspiriert und zugleich Versuche angestoßen, diese entweder rezitativ oder in gesungener Form zu vertonen.

Diese Ausnahmestellung wurde tausendfach zu erklären versucht, mit nur schwer zu belegenden und zugleich auch nie ganz indiskutablen Qualitätsmerkmalen, auch mit dem Zufall, mit einer spielerischen, pathosfreien Gewitztheit, die über die Jahrhunderte an Aktualität gewinnen konnte, und vielleicht noch am plausibelsten mit einer gewissen Offenheit, die Shakespeares Bildsprache, seinen Sprachwitz und seine Vorstellung von Liebe und Gefühlen generell für die unterschiedlichsten kulturellen Kontexte andockbar macht. Zu den zeitgenössischen musikalischen Interpretationen von Shakespeares Sonetten zählt die vorliegende Sammlung der jungen polnischen Komponistin Katarina Glowicka, in der der von einem kleinen Ensemble, dem Rubens Quartet, begleitete Tenor Arnon Zlotnik eine feierliche, fast sakrale Umsetzung der Gedichte präsentiert.

Der Zyklus beginnt besinnlich, bleibt aber – ganz Shakespeares Themen entsprechend – keineswegs im Pastoralen, und ebenso wenig wie das anfangs noch anheimelnde Zupfen der Saiten romantisch gerät, laufen die reißerischen Passagen Gefahr, im Sumpf des Melodrama stecken zu bleiben. Schrille Töne, verhalten Geräuschhaftes, Dröhnung hier und da und andere Arten der Verfremdung sind ebenfalls Teil der Kulisse für diese Texte voller Ambiguität. Sehr gut wissen der Sänger und das kleine Ensemble dem Narrativ der Lyrik zu folgen, u.a. durch Spannung erzeugende Singpausen vor besonders markanten Stellen und erwartungsvolles Stauen des musikalischen Flusses. Hört man einen guten Vortrag von Shakespeares Lyrik, so vergisst man oft völlig, welch strenge Form der Gattung Sonett zugrunde liegt, da die Texte die Regulierungen der Strophen, der Metrik und der Reimformen originell zu nutzen und gelegentlich auch auszutricksen verstehen. Glowicka nutzt gerade dies in ihrer Umsetzung und schafft so eine Musik, deren Struktur im stetigen Wandel bleibt.

Die Adaptionen sind über einen Zeitraum von beinahe zwanzig Jahren entstanden, denn Glowicka widmete sich immer erst nach größeren Pausen wieder neuen Sonetten. In Wahrheit muss man Zeitkategorien aber ohnehin außen vor lassen: Der Literaturwissenschaftler Harold Bloom behauptete in seinem Mammutwerk The Western Canon, Shakespeare habe nach seinem Tod im Alleingang die gesamte westliche Literatur bis heute verfasst, alle sogenannten Autoren seit dem 17. Jahrhundert seien in Wirklichkeit schon zu Lebzeiten von Shakespeare ferngesteuert gewesen. Faust I habe er z.B. nur geschrieben, um für Hamlet zu üben. Ganz sicher gilt das auch für musikalische Umsetzungen, und mit „Seven Sonnets“ ist ihm – mit nicht zu unterschätzender Hilfe des Mediums Katarina Glowicka und ihren ausführenden Musikern – ein weiterer epochaler Streich gelungen.

Label: ARTEkSOUNDS