ANGÈLE DAVID-GUILLOU: En Mouvement

Angèle David-Guillou tauchte zunächst in zwei Kontexten auf, einmal als Gastmusikerin an diversen Instrumenten bei der Band Piano Magic, einmal mit ihrem ersten Soloprojekt Klima, mit dem sie feinmaschig gewebte, zum Teil verhuschte Popstücke aufnahm. Ihre Entscheidung, Musik unter ihrem eigenen Namen herauszubringen, ging einher mit einer erneuten Abwendung vom Song, zumindest wenn man darunter Stücke mit Gesang in herkömmlichen Strophenformen versteht, sowie ihre Wahl eines Klaviers als zentrales Instrument.

Ihr aktuelles Album ist dem Titel entsprechend ganz dem Phänomen der Bewegung gewidmet, das weit mehr ist als nur die Positionsveränderung eines Körpers im Raum, sondern schon vom Begriff her in zahlreichen motorischen, emotionalen und gesellschaftlichen Zusammenhängen steht. Auch in der Musik kann Bewegung sehr viel sein: Eine Veränderung von Tempo, Stimmung, Klangfarbe und vielem mehr, die hervorgerufene emotionale Bewegtheit beim Rezipienten, die Bewegung des Körpers beim Tanz.

Dass “En Mouvement” ein derart selbstreferenzielles Album über die Bewegung werden sollte, hat sich vermutlich erst während des Entstehungsprozesses ergeben, denn David-Guillou stieß bei ihrer Beschäftigung mit Musik und anderen kreativen Ausdrucksformen immer wieder auf Arbeiten anderer Künstler, bei der Bewegtheit in unterschiedlicher Form eine bewusste Rolle spielte oder sich bei entsprechender Aufmerksamkeit als vordergründig erweisen sollte. Neben verschiedener Musik des Barock erwiesen sich Kompositionen von Phillip Glass als anregend – in beiden Fällen führen eine vordergründig repetitive Struktur und subtile Variationen zu einem ungewöhnlichen Zeiterleben, das sich auch in vielen Stücken auf “En Mouvement” einstellt.

Auf einigen Tracks erzeugt David-Guillou durch ihr zugleich melodisch und repetitiv-monoton ausgerichtetes Klavierspiel ein merkwürdig hynotisches Illusionsgemisch von Bewegung und gleichzeitigem Stillstand, das v.a. deshalb so stark wirken kann, weil sie immer vertraute, z.T. poppige Details in den Vordergrund stellt. Beim in würdevoller Andante-Gangart voranschreitenden Opener sind es Streicherbeiträge, die sich in sehnsuchtsvolle Höhen emporschwingen und dabei jegliche Verfremdung mit einer dünnen, aber effektvollen Schicht übermalen. Nur kleine Unregelmäßigkeiten im Takt und kleine Brüche, die man leicht übergehen könnte, lassen die unterschwellige Komplexität erahnen.

“Vraissablance”, das in seiner Ökonomie von Repetition und Wandel an Bachfugen erinnert, stellt noch mehr Acessoires bereit und gibt den stets im Wandel begriffenen Streichermelodien einen ostasiatischen Touch. Leicht exotisch mutet auch die unberechenbare Melodieführung in “Exocet” an, das am ehesten an eine weitere Inspirationsquelle erinnert, nämlich die Kompositionen von G.I. Gurdjieff und Thomas de Hartmann, deren Neuinterpretationen vorerasiatischer Tänze für Klavier als Grundlage für meditative Tanzpraktiken dienten. Ähnlich tanzbar, wenngleich beinahe burlesken Frohsinn versprühend ist “V for Visconti”, bei dem die sanften Wellen des Pianos von kräftigen Bläsern und Basspiel begleitet wird.

Obwohl “En Mouvement” mit sperrigen Momenten sehr sparsam umgeht, oder sie hinter besonders eingängigen Elementen gut zu verstecken weiß, bleibt am Ende dennoch der Eindruck, etwas nicht nur ausnehmend schönes konsumiert zu haben, sondern auch um ein paar Erfahrungen reicher zu sein, die substanzieller sind, als es beim Hören den Anschein hat. (A. Kaudaht)

Label: Village Green