GÜNTHER SCHLIENTZ: Autumn

Der Herbst gilt als Zeit der Einkehr und Kontemplation und hat wie alle Jahreszeiten bereits zahllose Würdigungen in der Musik erfahren. Die Facetten seiner Stimmungen und seiner Sinnlichkeit geben aber immer noch Stoff für neue, zum Teil ungewöhnliche Ideen ab, auch wenn ein Konzeptalbum zum Herbst auf den ersten Blick vielleicht etwas abgedroschen anmuten mag.

Die hier vorliegende, von Rudger Zuydervelt in dezentem Minimalismus gestaltete CD stammt von einem schon lange aktiven, aber für breite Hörerkreise wohl immer noch obskuren deutschen Klangkünstler namens Günther Schlientz, der auch als Cosmic Winnetou aktiv ist und neben seinen Soloarbeiten in der Postrock-Band Navel spielt. Schlientz arbeitet primär und auch hier mit diversen selbstgebauten analogen Synthesizern und ergänzt dieses Grundinstrumentarium durch traditionelle Instrumente wie einen Satz rauschender Becken und ein französisches Flügelhorn, deren dezenter Einsatz sich wunderbar in ddn elektronischen Rahmen einfügt.

Schlienz zeichnet den Herbst hier als ruhige, zurückgenommene Zeit der Wandels und gibt ihm (man könnte sagen dem elektronischen Schwerpunkt seiner Musik zum Trotz) ein organisches, erdig naturverbundenes Äußeres. Im eröffnenden Track “Oktober” erscheint der harmonische Klang derart organisch, dass man Gitarrenpicking und Bassdröhnen vermutend könnte, zusammen mit den Bläserklängen schafft dies eine warme, aber auch vielfarbige Welt, die durchaus so etwas wie Fülle zeigt, und doch durchdringt eine leise Melancholie das vitale Landschaftsbild, das erst durch Feebkackfiepen einen Hauch von echtem Niedergang bekommt.

Warum die Zeitdarstellung nicht der Folge der Monate entspricht, erschließt ich mir nicht, eventuell wurden auf dem Cover tatsächlich die Titel vertauscht, jedenfalls folgt auf das lange, belebte “Oktober” das wensentlich herbere “September”, durch das ein kühler, an Thereminklänge erinnernder Wind weht. Auch hier sind ein paar erdigere Klänge zu hören, doch das wellenförmige Dröhnen erscheint in erster Linie düster und fast etwas bedrohlich, lediglich eine paar leise tremolierende Hochtöner bringen auf geheimnisvolle Art etwas Licht ins Dunkel der kurzen Tage. All dem liegt ein steter Wandel der Harmonien und Klangfarben zugrunde, der langsam aber zielgerichtet ins zunächst recht disharmonische “November” überleitet, das in seiner anfänglichen Statik schon fast winterliche Züge annimmt. Doch das Stück erreicht erst mit der Zeit seine eigene Ordnung und entpuppt ich als rührendes Szenario, bei dem kühle Retro-Elektronik auf anrührende Bläsemelodien stößt.

Schlientz zeichnet ein dezentes, fast introvertiertes Bild des Herbstes, dessen intime Stimmung sich wahrscheinlich nur aufmerksamen Hörern offenbart, denn das warme Klangbild hat auch eine leicht spröde Seite, die dafür sorgt, dass sich die Musik nie aufdrängt oder gar in trübseligen Kitsch ausartet. (A. Kaudaht)

Label: Zoharum