Im Laufe der letzten Jahre hat Fatima al Qadiri einen eigenen, trademark-artigen Stil und Sound entwickelt, einen elektronischen Klangkosmos, der auf rein materieller Ebene an die Schlichtheit von Plastikspielzeug erinnert, in dem die Sounds aber zu derart originellen und teilweise feinen Strukturen verarbeitet werden, dass sie ganz selbstverständlich über sich hinaus wachsen.
Je nach Thema verknüpft sie dies immer wieder mit instrumentellen oder melodischen Versatzstücken traditioneller Musik aus dem Mittleren Osten oder Ostasien, die im typischen Al Qadiri-Setting in einer computerspielartigen Welt aufgehen. Mit einem Begriffspaar von Umberto Eco gesprochen zählt sie dabei aber weniger zu den Apokalyptikern, die die Verkünstlichung anprangern, sondern zu den Integrierten, die die Dekonstruktion des Alten feiern und auf dessen Fundament neues entstehen lassen.
Auf ihrem neuen Minialbum “Shaneera” geht es einmal mehr um eines ihrer zentralen Themen, nämlich um heikle Geschlechterfragen in ihrem Herkunftsland Kuweit und der arabischen Welt allgemein. “Shaneera” oder “Shanee’a” ist ein leicht verändertes arabisches Adjektiv und bedeutet soviel wie “empörend”. In den letzten Jahren wurde es zu einem positiv kodierten Wort für eine Frau, die sich herkömmlichen Geschlechtererwartungen bezüglich Anstand, aber auch bezüglich Weiblichkeit generell entzieht. Bezeichnenderweise hat Al Qadiri mit Bobo Secret und anderen ausschließlich männliche Sänger und MCs eingeladen, um die z.T. aus Internetforen zitierten Messages der Evil Queens in verschiedenen arabischen Dialekten zu interpretieren.
In proklamatorischer Geste und mit ordentlichem Hall unterlegt entfalten sie zusammen mit dem griffigen Synthies und den aufwühlenden Pauken und Handdrums ein kraftvolles Pathos. Mit dem einfachen Repetitionen und plakativen Halleffekten scheint sie ebenso zu spielen wie mit dem vordergründigen Orientalismus zahlreicher Motive, die sie perfekt in den artifiziellen Rahmen einbaut, was dann jedem falschen Authentizitätsanspruch einen Riegel vorschiebt. Ohne Kenntnisse des Arabischen entgeht einem natürlich einiges an Inhalt, aber die z.T. aggressiv hektischen Vocals und die Plötzlichkeit einiger alarmistischer Synthieattacken sprechen eine deutliche Sprache. (U.S.)
Label: Hyperdub