Als Thighpaulsandra vor zwei Jahren ein Album herausbrachte, das in seiner Reichhaltigkeit das Zeug zu einem Opus magnum hatte, hätten wahrscheinlich wenige daran geglaubt, dass in den folgenden Jahren weitere Erzeugnisse dieser Größenordnung aus der Richtung kommen würden, doch weit gefehlt: Unter dem mysteriösen Namen UUUU wurde dieses Jahr im gleichen Dunstkreis ein Allstar-Projekt aus der Taufe gehoben, dass sich mit Edvard G. Lewis, Matthew Simms (beide Wire) und eben Thighpaulsandra stark mit dem Line-up der „Golden Communion“ überschneidet und – nicht zuletzt wegen der vierten im Bunde, der Drummerin Valentina Magaletti (u.a. Vanishing Twin) – wie dessen wilder und urwüchsiger Wechselbalg anmutet.
Stimmungsvoll mit Glöckchen und Beckenrauschen beginnt das Debüt des Quartetts, ein Sound, der sich schnell verdichtet und immer mehr dissonantes Schaben und Kratzen durchdringen lässt: Fast glaubt man, für ein oder zwei Minuten in einer von Xenakis’ proto-rituellen Tape-Arbeiten gelandet zu sein, doch bald windet sich ein holprig-angejazzter Rhythmus aus dem pantomimischen Szenario heraus und verleiht dem Track, der garantiert von Thighpaulsandra „The Latent Black Path of Summons Served“ betitelt wurde, einen Touch von zerfleddertem Krautrock. Dies ist einer der Momente, in denen Magaletti die Führung übernimmt und – unterfüttert von rumorenden Synthies und röhrenden Saiten – den Song über Brüche und Tempowechsel von Episode zu Episode bis hin zum finalen Freakout leitet.
Zwei Dinge gelingen UUUU besonders gut: Sie gestalten ihre Songs wie im Handumdrehen derart wechselvoll, dass manch anderer aus jedem Track zumindest ein Minialbum gemacht hätte, gestalten diese Wechsel aber stets so geschmeidig, dass nie der Eindruck eines heillosen Durcheinanders entsteht, und auch bei der Unruhe, die immer wieder zwischen spannungsgeladenen Pausen und plötzlichen Ausbrüchen entsteht, hat man immer das Gefühl, dass alles so sein soll. „Partial Response Takes Another Form“ ist ein solcher Mikrokosmos. Hier lassen die Rhythmen etwas länger auf sich warten, in der ersten halben Minute ist sogar Stille angesagt, langsam braut sich aber mittels Bass- und Gitarrendröhnen ein undurchsichtiger Sud zusammen, eine leicht orientalisch anmutende Saxophonpassage wiegt einen für Momente in Illusionen der Besinnlichkeit, bis dass ein Ruck durch das Stück geht, treibende Blechperkussion eine Prozession auf Stelzen anheizt und gegen Ende ein weiteres Freakout ansteht. Nicht jeder hätte aus diesen Zutaten eine runde Sache hinbekommen.
Für das geruhsamere „The Princess Anne Love Cassette“ und das über fünfzehnminütige „Five Gates“ mit seinen Urwaldgeräuschen und der Mixtur aus rockigen und rituellen Entgrenzungen gilt das gleiche, aber mit seiner Synthiespur nach Art der 80er ist der Song auch ein Beispiel dafür, dass UUUU neben dem Gebräu aus Krautrock, ekstatischen Rhythmen und spaciger Elektronik auch eine versteckt poppige Seite hat, die an manchen Stellen Wire noch am nächsten kommt. Das kurze, basslastige „Boots With Wings“ mit E.G. Lewis’ nach hinten gemischten Vocals kann seine Postpunk-Spuren kaum verleugnen, vielleicht kam mir aufgrund des dennoch eigenwilligen Taktes als erstes This Heat in den Sinn. „It’s Going All Over the Floor“ mit seinen funkensprühenden Stakkato-Takten dagegen ist äußerst tanzbar, und „Verlagerung, Verlagerung, Verlagerung“, bei dem schlussendlich Thighpausandra seine Stimme mit großer Geste über ein Feld aus kosmischem Dröhnen und roboterhaften Rhythmen ausbreitet, hat vor dem lupenreinen Noiserock-Ausklang von „Il Ventra del Nulla“ die größten Songmomente des Albums parat.
UUUU haben ein Album auf die Beine gebracht, dass von unerwarteten Wechseln und Soundideen fast überquillt, und trotz seiner vielen spannungsvollen Momente ist daraus kein erschöpfendes Werk, sondern ein kraftstrotzender Energiebrunnen geworden. Nun heißt es, den bald anstehenden Konzerten des Quartetts, das u.a. auf dem nächsten Berliner Noise Testament zu sehen sein wird, entgegenzufiebern. (U.S.)
Label: Editions Mego