Altaj ist das Soloabenteuer des in zahlreiche Bands involvierten Dröhners Francesco Vara aus dem piemontesischen Alessandria, der hier weniger auf die Gitarre, sondern auf analoge Elektronik baut. Erstmals einem größeren Publikum bekannt wurde er durch seine vor zwei Jahren bei Boring Maschines erschienene Split-LP mit Adamennon, auf der er mit Referenzen auf die Themenkomplexe Schamanismus und Zentralasien seinen Ruf als rituell interessierter Musiker untermauern konnte.
Sein erster Longplayer „A Horizon like a Mouth“ behält diesen mystichen Grundton bei, doch die Referenzen sind spärlicher und die Stimmung allgemein dunkler und abgeklärter – der Opener „Disappear“ zeichnet eine Reise nach, die durch allerhand ausgearbeitete Stationen (Hochtönendes, bohrende Drones, die in tiefes, doomiges Brummen übergehen, kurze Melodieansätze, die Illusion eines Pianos) führt und vor dem Aufbäumen einer enormen Soundwelle endet, die den Hörer gnadenlos überrollt. Selten wurde das Verschwinden so voller Fülle ins Werk gesetzt.
Aus dem ersten Eindruck könnte man schließen, im Zentrum von Altaj stehe das Dröhnen, doch bei genauerem Hinhören bemerkt man, dass auch Rhythmen eine zentrale Rolle spielen, gleichwohl diese sich sehr dezent offenbaren und bei der Entrücktheit, die diese Musik hervorrrufen kann, vielleicht nur unterbewusst registriert werden. Schon in „Dance of Yel Ana“ kommt durch Zeitlupentakte, die mehr noch kleine Unterbrechungen des vibrierenden Feedbackrauschens darstellen, Bewegung ins Bild. Noch stärker das Vibrato in „Giant Cloud“, das immer mal für Momente in regelrechtes Basswummern kippt, welches mittels guter Boxen gehört und haptisch erfahren werden will. In dem Stück tobt ein beeindruckender innerer Widerstreit, ein klarer, fast heller Ambientstrahl schiebt sich durch die dunkle, vibrierende Masse, all dies wird irgendwann von einer molligen Rauschwolke verschuckt, die wiederum von einem melancholischen Gitarrensolo zerschnitten wird. Im pulsierenden Gebrumme von „Death“ tauscht die Gitarre noch einmal als lautes Feedback auf, so hell und plötzlich wie klirrendes Glas, doch eine Dröhnwand schluckt all dies mit großer Wucht.
Ob das Album schlicht eine imaginäre Reise in unbekannte Gefilde inszeniert oder von letzten Dingen kündet, ist aufgrund der nur vagen Hinweise kaum auszumachen, dass Altaj hier eine mitreisende Komposition gelungen ist, steht außer Frage. Definitiv eine Musik, für die man sich auch zehn Jahre nach dem Zenit des Dronehypes noch auf solche Musik einzulassen lohnt. (U.S.)
Label: Metzger Therapie