In Südkorea, vornehmlich in Seoul, gibt es eine kleine rührige Szene von jungen Musikern, die von klein auf mit der sogenannten Gukak, der traditionellen Musik ihres Landes vertraut sind, die irgendwann aber – nicht nur durch Aufenthalte im Westen – mit anderen Stilrichtungen wie Jazz oder diversen Electronica in Berührung gekommen sind. Auffallend oft kommen dabei Resultate zustande, die belegen, dass Hybride aus traditioneller und moderner, östlicher und westlicher Musik keine zusammengekleisterten Konstrukte sein müssen, sondern wie aus einem Guss klingen können. Es gibt für die Stilrichtungen, die im Zuge dessen entstanden sind, keinen Namen, und vielleicht ist es auf lange Sicht auch ganz gut so, denn wer hätte schon etwas von einem kurzlebigen Hype.
Vor zwei Jahren berichteten wir über die Künstlerin Keda, die auf ihrem Album “Hwal” dem an die europäische Zither erinnernden Instrument Geomungo neue Zukunftswege aufzeigte, und dabei seinen traditionellen Spieltechniken trotzdem alle Ehre erwies. Just erscheint über Glitterbeat das Debütalbum der Musikerin Park Jiha, die bisher in einem mit traditionellen Strukturen schon recht frei umgehenden Duo namens 숨[suːm] diverse aus der Region stammende Instrumente bediente: eine Art Hackbrett, das den Namen Yanggeum trägt, eine aus Bambus hergestellte Mundorgel namens Saenghwang, vor allem aber die Piri, eine ebenfalls aus einem Bambusrohr hergestellte Doppeblatt-Flöte, die von ihrem variationsfähigen Klang manchmal an eine Oboe, bisweilen aber auch an orientalische Blasinstrumente wie Duduk oder Ney erinnert. Zu ihrem Solowerk entschied sie sich, um neue musikalische Wege auszuprobieren, die noch näher an ihrer kreativen Persönlichkeit sind. Und so entstand zusammen mit einem Ensemble aus teils koreanischen, teils aus Europa stammenden Begleitmusikern das Album “Communion”, bei dem Parks Instrumente mit Saxophon, Bass-Klarinette, Perkussion und anderem derart zu einem eigenen Organismus verwachsen sind, dass der Eindruck einer neuen traditionellen Musik eines noch unentdeckten Kulturkreises entsteht.
Zu Beginn könnte man noch denken, “Communion” sei ein abstrak vor sich hinknackendes Schabewerk, aber wenn erst der erste Ton der Piri ertönt ist und sich eine sehnsuchtsvolle Melodie herauswindet, fühlt man sich schnell in eine ganz eigene Heterotopie entrückt, die immer einen Hauch zu futuristisch anmutet, um in reine Nostalgie zu kippen. Gerade dieser Moment, wenn der Klang des zentralen Instruments zum Leben erwacht, ist unglaublich majestätisch. Dieser entfaltet seinen vollen Charakter immer mehr, wenn sich das Stück in dynamischen Wellen entfaltet, und erst mit der Zeit treten die Unterschiede zu Klarinette und Saxophon immer deutlicher hervor.
Es gibt auf “Communion”, wenn man es ganz einfach haben will, zwei Typen von Songs, solche, bei denen Blasinstrumente im Zentrum des eher flächigen Geschehens stehen, und andere mit eher perkussiver Struktur. Zu den ersteren zählt das ungemein anrührende “The Longing of the Yawning Divide” mit seinen immer wieder im Impressionistischen zerfließenden Bläserparts, ebenso aber das ausufernde “All Souls’ Day”, das mit eintönigem Pulsieren beginnt und mit der Zeit den ganzen Instrumentenpark integriert, bis sich alles in einem tosenden Freakout aus Donnern und Quietschen entläd. Perkussiv dominierte Tracks wie “Accumulation of Time” und der Titeltrack, die nie in die Nähe von so etwas wie Rock kommen, setzten über weite Strecken auf Minimalismus, entlocken Vibraphon und Yanggeum gerade so viel Töne, bis die kraftvollen Vorwärtsbewegungen reif sind für die eruptive Atonalität furiosen Saitengerassels.
Wenn es etwas gibt, das wie ein roter Faden durch die vielfarbigen Kompositionen führt, dann ist es der starke Vorwärtsdrang, der in allen Stücken zu finden ist, auch in den melancholischeren, in denen die Bewegung nie zum Stillstand kommt, auch in den zerfledderten Momenten nach den markanten Eruptionen, in denen die Musik nie in eine tastende Gangart verfällt. Vielmehr tritt die Energie der Musik gerade in solchen Momenten noch deutlicher zutage. (U.S.)
Label: Tak:til / Glitterbeat