There’s always been hints of apocalypse in our work: Ein Interview mit Nonconnah

Das nach einem Ort in Tennessee benannte aus Zachary Corsa und Denny Wilkerson Corsa bestehende Duo Nonconnah spielt “Damaged hymns from the broken Mid-South”. Vorher hatten die beiden zahlreiche Tonträger unter dem Namen Lost Trail veröffentlicht, einem selbst so bezeichneten “ambient/drone/shoegaze project”. Musikalisch knüpft Nonconnah an das Vorgängerprojekt an: Feldaufnahmen, Samples, Giatarre und Drones werden zu einer Musik verdichtet, auf der das Dunkle und Mysteriöse, das sich im Klangbild, Artwork und in Tracktiteln widerspiegelt, (auch immer) ein Moment des Trostes enthält.

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Korrigiert mich, falls ich mich irre, aber ich glaube, ihr hattet euren Namen von Lost Trail in Nonconnah geändert, als ihr von North Carolina nach Tennessee gezogen seid. War dies der hauptsächliche Grund? Welches sind für euch die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Nonconnah und Lost Trail?

Es ist weniger so, dass wir unseren Namen geändert hätten, eher ist es so, dass Lost Trail zu seinem natürlichen Abschluss kam. Der Umzug nach Memphis erschien wie ein bequemer Zeitpunkt, den Namen Lost Trail ausklingen zu lassen und unter neuen Vorsätzen neu anzufangen,aber wir hatten sowieso einen Punkt erreicht, an dem wir das Projekt beenden wollten.Obwohl es immer noch wir beide sind, die experimentelle Musik machen, gibt es doch ein paar wesentliche Unterschiede. Einer ist, dass wir anstatt endlos kleine Veröffentlichungen auf kleinen Labels herauszubringen, mehr Zeit damit zubringen, sorgfältig an den Aufnahmen zu arbeiten und minutiös an Details zu arbeiten, um alles so dynamisch wie möglich klingen lassen. Es ist wesentlich vielschichtiger geworden, und eine geringere Emphase auf “Lo-Fi” als früher. Während Lo-Fi unser normaler Modus Operandi in der Zeit von Lost Trail war, ist es nun eher eine Verzierung existierender Stücke. Ein anderer wesentlicher Unterschied zwischen Lost Trail und Nonconnah ist die Präsenz vieler Kollaborateure. Wir haben diese insulare Welt geöffnet, um etwas mehr so was wie ein Kollektiv zu werden, und das hat uns bereits Elemente vieler anderer Genres neben Ambient und Drone eingebracht.

Wenn man sich die Titel eurer Aufnahmen und deiner Projekte ansieht, kommt es einem so vor, als spiele die “Natur” (so vage dieser Begriff auch ist) eine wichtige Rolle für euch. In welchem Ausmaß beeinflusst das Thema eure Songs und die Arbeit daran?

Natur ist ausgesprochen wichtig für was wir tun und wie wir unser Leben führen. Zach wuchs bei einem professionellen Naturmaler auf und verbrachte viel Zeit in seiner Jugend draußen in der Natur, von den Bergen im Westen von Massachusetts bis zu den Koralleninseln vor North Carolina. Wir haben beide einen starken Bezug zu Umwelt-, Natur- und Tierrechtsproblemen, wir campen und trampen, wann immer es die Zeit erlaubt. Eines der verbindenden Themen sowohl bei Lost Trail als auch bei Nonconnah sind die Grenzregionen, in denen die Natur und das Menschengemachte sich treffen und eine außerweltliche Landschaft kreieren. Wir fotografieren beide oft verlassene Orte und Ruinen, Orte, die von der Natur zurückerobert werden. Wir haben uns ursprünglich durch dieses Interesse kennen gelernt, es fasziniert uns noch immer und findet den Weg in unsere Kunst.

Sowohl Lost Trail als auch Nonconnah haben “Winter”-EPs veröffentlicht. Welche Rolle spielen die Jahreszeiten generell und der Winter speziell für dich und deine Musik?

Die ‘Winter’-EPs sind Teil einer Reihe, die Silber Records jedes Jahr herausbringt, und es ist jedesmal eine großartige Herausforderung, stimmungsvolle Instrumentalmusik mit besonderen jahreszeitlichen Stimmungen zusammenzustellen. Themenbasierte Herausforderungen schärfen unsere kreativen Impulse als Klangkünstler. Wir neigen dazu, unsere Musik als herbstlich, bittersüß und vergoldet zu betrachten, irgendwo zwischen den Extremen der banachbarten Jahreszeiten. Der Herbst hat eine schöne Art der Melancholie, die zu uns spricht. Zach ist außerdem tief besessen von Halloween, was unsere Fans nicht überraschen sollte, da das Übernatürliche Teil unserer Arbeit ist und in vielen Songtiteln vorkommt.

Ihr hattet einmal gesagt, dass ihr mit Absicht Lo-Fi-Aufnahmeequipment benutzt . Wie wichtig ist euch eine solche Herangehensweise? Hatte es für euch etwas von einer Befreiung von den (scheinbar) unbegrenzten Möglichkeiten heutiger Technologie?

Es ist leicht, sich vom Überfluss dessen, was Künstlern, die zu Hause aufnehmen,heute zur Verfügung steht, überwältigen zu lassen. Wir beschränken uns gerne auf die einfachsten und primitivsten der möglichen Optionen. Zu vielen Möglichkeiten ausgesetzt zu sein führt am Ende dazu, gar keine Wahl zu haben. Wir lehnen grundsätzlich die Idee ab, dass jede Technologie veraltet sei, sobald eine neue auftaucht. Das ist zutiefst verschwenderisch. Speziell Kassetten haben eine eigene Wärme, die aus dem Unperfekten her kommt und für Leute unseres Alters Nostalgie heraufbeschwört, ebenso VHS und statische, verschwommene Polaroids u.s.w. Ich denke, zum Teil kann man das als eine intendierte Absage an die Bequemlichkeits- und Konsumkultur sehen und an den Materialismus, der Amerika im Jahr 2018 dominiert. Es ist eine großartige Form des Protests, “tote” Technologie zu benutzen und dabei nichts auf den Spott der modernen Typen zu geben, die sich bei Spotify einloggen. Auf der anderen Seite könnten wir nicht tun was wir tun ohne die Entwicklungen im Aufnehmen per Laptop, und so ist es in jedem Fall eine Balance aus Nutzen versus Prinzipien.

Gibt es eine gewisse Ordnung, in der sich die einzelnen Elemente der Songs zusammenfügen? Wie entscheidet ihr, welche Fieldrecordings funktionieren? Welche Beziehung haben Improvisation und Komposition in eurem Aufnahmeprozess?

Zu Zeiten von Lost Trail haben wir die Stücke meist auf einem Fundament reiner Improvisation fertiggestellt, in spontanen Ausbrüchen von Energie und Konzentration. Mit Nonconnah arbeiten wir mit einfachen Akustikgitarre- und Piano-Demos, die wir über die letzten paar Jahre aufgenommen haben. Die Demos sammeln sich an, bis dass genug da sind, wir suchen die besten aus und verarbeiten sie dann. Meist gibt es eine simple Gitarrenbasis als Grundidee eines Demos. Später akzentuieren wir das mit anderen Instrumenten und Sounds, und zum Schluss kommen Fieldrecordings dazu, die entweder aus Public Domain-Quellen stammen oder von einem von uns mit Mikros oder Telefonen aufgenommen wurden. Es ist eine reine Instiktfrage, welche Feldaufnahmen wohin kommen, und mit den Tracktiteln ist es ebenso. Manchmal fühlt es sich einfach richtig an – so als ob wir Kanäle für irgendeine äußere Kraft wären, die durch uns fährt. Es solIte gesagt werden, dass wir, auch als Lost Trail, auf Overdubs im engeren Sinne verzichten. Wir kollagieren. Wir nehmen Stücke unabhängig voneinander auf und legen sie spielerisch übereinander, bis sie “passen”. Wenn man arbeitet, als wäre das Stück eine Kollage, kommt immer ein großartiges Überraschungselement ins Spiel.

Auf deiner Webseite nennt ihr eure Musik “damaged hymns from the broken midsouth”. Wie ambivalent ist eure Beziehung zu der Region, in der ihr lebt?

Da ist tatsächlich nichts ambivalent, wir sind hier sehr glücklich. Memphis ist ein unglaublicher und unentdeckter Ort, ein Juwel außer der Reihe, das viel zu sehr stereotypisiert wurde, durch seine (wahrscheinlich sehr realen) Probleme bis zu dem Punkt, dass die Gentrifizierung größtenteils an der Stadt vorbei gegangen ist. Memphis ist ein stolzer, eng gestrickter, rauer Ort mit viel Lokalkolorit und einem ansehnlichen Maß an guter Stimmung. Auch gibt es dort unglaublich viel Kunst aller Art. Memphis ist eine echte Muse für uns – wir leben etwas außerhalb der Stadt, im ländlichen Hinterland, aber wir verbringen die meiste Zeit in Memphis. Wenn wir also von “beschädigten Hymnen” aus einem “zerbrochenen” Ort sprechen, so sagen wir das mit aller Liebe und Zuneigung. Es liegt viel Schönheit in der Gebrochenheit von Memphis, in dem Kampf, sich mit Esprit über die endlosen Blocks stillgelegter Febriken und Bars und die dreisten neonfarbenen Touristen-Fantasiewelten in der Innenstadt zu erheben, und in den Ausläufern eines gespenstischen Bayou. Memphis ist ein ganz besonderer Ort, eine schöne Stadt, die sich um sich selbst kümmert. Wir versuchen, das in unserer Arbeit zu würdigen.

Ich habe mich gefragt, inwiefern das, was Southern Gothic genannt wird, eine Rolle in eurer Musik spielt.

In einem gewissen Grad ganz sicher. Truman Capote, Eudora Welty, Flannery O’Connor, William Faulkner…dies sind spürbare, sehr präsente Geister in diesem Teil der Welt. Es ist wirklich der Sound des Südens, der den Hintergrund zu unserer Musik liefert. Zu Zeiten von Lost Trail sagten wir – und das trifft ebeso auf Nonconnah zu – dass wir durch und durch eine Südstaaten-Band sind. Wir würden nicht die gleiche Musik machen, wenn wir in Buffalo, New York, leben würden. Der Süden ist, was wir sind, im Guten wie im Schlechten. Wir haben hier eine komplizierte und geheimnisvolle Geschichte, keine Gegend in Amerika wird so sehr von seiner Vergangenheit heimgesucht wie der Süden. Sehr viel im täglichen Leben ist geprägt vom Versuch, sich mit der Vergangenheit zu arrangieren. Erst letztens konnte man das in Memphis sehen, als die Statue von Nathan Bedford Forrest entfernt wurde. Es ist unmöglich, in den Südstaaten zu leben und nicht von der Vergangenheit berührt zu werden.

Eure Musik kann sehr dunkle Elemente beinhalten, aber es gibt auch etwas Tröstliches darin. Gibt es in eurer Arbeit eine Balance zwischen “Gloom” und “Glowing” (um auf euer aktuelles Album anzuspielen)?

Definitiv. Wir wollen nie zu weit auschließlich in die Richtung des Lichtes oder der Dunkelheit gehen. Beides verstärkt sich ganz wesentlich durch die Präsenz des anderen, und beides bricht zusammen ohne dieses Gleichgewicht. Es würde unehrlich erscheinen, eine Musik zu erschaffen, die nicht ganz akkurat die hellen und die dunklen erfahrungen reflektiert, da sie beide gleichermaßen erschreckend und reizvoll sind. Licht und Dunkel machen uns zu dem, was wir sind. Wenn es eine dunkle Präsenz auf einem Album gibt, wird sie immer wieder konterkariert durch das Licht, doch wenn das Licht zu hoch strahlt, holt die Dunkelheit es wieder auf den Erdboden zurück.

Für mich hat eure Musik oft eine traumhafte und schlafwandlerische Aura, auf den Covers eurer Veröffentlichungen tauchen oft leere Häuser und verschwommene Bilder auf. Würdest du sagen, dass sie passende Repräsentationen eures “Dronegaze” sind?

Absolut. Wenn du dir die Themen unserer Musik anschaust, sei es die Natur in den Feldaufnahmen, die Titel, oder sogar der Klang als solcher, findest du einen gemeinsamen Faden an trancehaften und außerweltlichen Erfahrungen, etwas, das dich deiner selbst entrückt. Übernatürliche Heimsuchungen, religiöse Manien, politische Paranoia, Drogentrips… All dies sind veränderte Bewusstseinszustände, transzendente und offenbarungsartige Zustände. Das ist auch, was die beste Musik uns geben kann. Sie färbt die Wahrnehmung der dich umgebenden Welt, was letztlich die basale Bestimmung von Kunst ist, um Erfahrungen zu reflektieren auf eine Art, die dich erkennen und wachsen lässt. Ein Sinn fürs Unheimliche motiviert uns in einem gewissen Maß. Nicht nur die Gegenden, wo die Siedlungen in Waldland übergehen, sondern auch die Grenzbereiche, die wir betreten, wenn wir uns diesen transformative Erfahrungen aussetzen. Wenn unsere Musik ein visuelles Äquivalent hätte, dann wäre dies eine ruhige Gegend zu der Zeit, wenn die Nacht fast schon komplett eingebrochen ist, aber am Horizont noch ein dünner orangener Streifen zu sehen ist. Genau da lungern wir herum.

Ihr werdet bald ein neues Album rausbringen und habt erwähnt, dass viele Gastmusiker mitgearbeitet haben. Ist das Album eine Fortführung von “The Gloom & The Glowing”?

Nein. ‘The Gloom & The Glowing’ entstand in einer sehr schwierigen Zeit und steht für sich als ein Artefakt dieser Zeit. Es repräsentiert unsere Wandlung weg von Lost Trail, ohne schon an einem nächsten Punkt wirklich angekommen zu sein. Das neue Album ist die Verwirklichung. Wir würden sagen, dass “Gloom” noch viel mehr mit Lost Trail aus der alten Zeit gemeinsam hat. Vielleicht war es ein notwendiges Reinigen von diesen alten Gespenstern, bevor wir weitergehen konnten.

Würdet ihr sagen, dass der Süden eine gute Region für experimentelle Musik ist?

Das ist er definitiv. das inhärente Pathos, ein Südstaatler zu sein, hat immer unwidestehliche, normenüberschreitende Kunst hervorgebracht. Wir finden, dass man die beste experimentelle Musik, die der Süden zu bieten hat, in kleinen Städtchen findet, wo das Fehlen einer kulturellen Infrastruktur viele Leute dazu gebracht hat, es auf die eigene Art hinzubekommen und die Substanz der eigenen insularen Communities umzuwandeln, frei von Beeinflussung. Manchmal ist es besser, nicht einer von tausenden rotierender Hipster in Bushwick oder Portland zu sein. Greenville, North Carolina. Die Gegenden um Winchester und Culpeper in Virginia. Cleveland, Mississippi. Murray, Kentucky. Murfreesboro, Tennessee. All diese Orte haben faszinierende kleine Szenen. Wahrscheinlich kann man dem Internet sehr für die Verbreitung danken, also Danke, Internet!.

Eure Musik ist nicht explizit politisch, aber auf dem Twitter-Account habt ihr eure Ansichten zu aktuellen Ereignissen (z.B. dem Parkland-Amoklauf) ziemlich klar geäußert. Denkt ihr, dass aktuelle Entwicklungen deutlicher in euren zukünftigen Arbeiten reflektiert werden?

Wir denken, dass es unvermeidbar ist, dass das, was in Amerika im Jahre 2018 geschieht, seinen Weg in die Kunst fast aller finden wird – entweder bewusst oder unbewusst. Es gab immer Zeichen der Apokalypse in unserer Arbeit, aber das neue Album hat sich fast unbeabsichtigterweise um “Apokalypse” als Art Allegorie für Verlust von Erinnerungen, Älterwerden und Vergänglichkeit herum entwickelt. Sie existiert in der Art und Weise, wie Erinnerungen selbst eine Art Heimsuchung sind; auf die Art und Weise, wie unsere “alte” Technologie älter wird und sich auflöst und zusammen mit unseren Erinnerungen und unseren alten Leben weggeworfen wird. In einer Dystopie wie dem modernen Amerika zu leben, bedeutet täglich mit diesem Ende-der-Welt Verständnis der Apokalypse in Zeitlupe zu rechnen, einen Weg zu finden, es in dein Leben zu integrieren and damit zu rechnnen ohne verrückt zu werden. Was die direkte Thematisierung von Politik anbelangt, würden wir sagen, dass wir gegen Ende des neuen Albums etwas direkter politisch als in der Vergangenheit sind. Dafür ist jetzt die richtige Zeit.

Interview: MG

Übersetzung: US & MG

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