IANNIS XENAKIS: Persepolis

Über den Entstehungskontext und die Erstaufführung von Iannis Xenakis’ elektroakustischer Komposition „Persepolis“ ist einiges geschrieben worden. Das knapp einstündige Werk basiert auf diversen 8-Spur-Tapes und wurde 1971 von Mohammed Reza Pahlevi, dem letzten Shah des Iran für das Shiraz Art Festival in den Ruinen der alten Hauptstadt Persepolis in Auftrag gegeben. In dieser Aufführung war es Teil einer Multimedia-Performance namens „Polytopes“ – „viele Räume“: Entsprechend der Topografie der Ruinen wurden neununfünfzig Lautsprecher auf dem Gelände so platziert, dass verschiedene Abschnitte der Komposition Räume bilden, die die Zuschauer nacheinander betreten konnten. So entstand die antike Stadt im künstlerischen Medium virtuell neu.

Choreografische sowie licht- und pyrotechnische Elemente bildeten einen weiteren Teil der Aufführung und schlugen die Brücke zu den Feuerritualen und der Licht und Schatten-Symbolik der zoroastrischen Religion, die besonders in der Gegend um die Ruinen, in Städten wie eben Shiraz oder Yazd, bis heute überlebt hat, und auf deren vorislamisches Erbe die damalige Regierung in identitätsstiftender Absicht zurückgriff.

Man findet in der Rezeptionsgeschichte des Werks wenig Kritisches über die pompösen Selbstinszenierungen des damals umstrittenen Despoten, der heute, in Zeiten der autoritären islamischen Regierung, für einige wie ein Symbol für Freiheit und Fortschritt anmutet, dessen Herrschaft in Wirklichkeit aber der Urheber mancher Institutionen ist, die zu den Grundlagen des heutigen Regimes zählen – so, als müsste man eher verschämt zur Kenntnis nehmen, dass große Kunst auch in fragwürdigen Kontexten entstehen kann. Darüber hinaus findet man auch vergleichsweise wenig über die Musik.

Was da in unregelmäßigen Intervallen ins Ohr dringt, kann man als kollagierte Abfolge von schleifenden, kratzenden, ratternden, tief dröhnenden und dunkel grollenden Geräuschen beschreiben, die wie Gewitter und Klagelied zugleich immer mal die Grenze zum Noise durchbrechen und dann wie eine Geröllawine auf die Gehörgänge niederprasseln. Ab und an schreckt Schrilles auf, mit Vorliebe dann, wenn der Fluss der Klänge schon eine Weile ins Stocken geraten ist und gerade etwas leiser daherkommt. Doch ähnlich wie in „La Légende d’Eer“ gibt es auch hier vereinzelt lieblich anmutende, folkloristisch klingende Details, und sei es die Illusion eines wie auch immer erzeugten Glöckchenregens.

Eine solide Anzahl an Klangerzeugern sollen in den verwendeten Tapes zum Einsatz gekommen sein, neben metallenen Objekten sind verschiedene Saiten- sowie Blech- und Holzblasinstrumente vertreten, deren Klang oft nur dem geübten Ohr erkennbar ist. Interessanter noch als die Bearbeitung der Sounds ist aber ihr z.T. unberechenbarer, keinem vorhersehbaren Schema folgender Verlauf, der das Gefühl vermittelt, einer Naturgewalt und einem enormen Energiefluss ausgesetzt zu sein. Schon deshalb ist „Persepolis“, das nun seit langem mal wieder als LP und in einer neuen, auf den ursprünglichen Mastertapes basierenden Version vorliegt, eine Pionierarbeit nicht nur der experimentellen, sondern auch der rituellen Musik. (U.S.)

Label: Karlrecords