TWELVE THOUSAND DAYS: Insect Silence

Man neigt gerne dazu, Bands, die sich nur alle Schaltjahre oder seltener zu neuen Aktivitäten zusammentun, als klammheimlich aufgelöst zu betrachten, erst recht dann, wenn es sich dabei um noch anderweitig aktive Musiker handelt – so wie Sänger Martyn Bates mit Eyeless in Gaza und seinem Soloprojekt und Instrumentalist Alan Trench mit seinen Folk- und Psychedelic-Gruppen Temple Music, Orchis und Black Lesbian Fishermen. Nachdem mit ihrem Duo Twelve Thousand Days wahrscheinlich nur noch wenige gerechnet hätten, steht mit „Insect Silence“ nun ganz überraschend ein neues Album in den Regalen, das fast da anknüpft, wo die beiden vor gut zwölf Jahren mit „From the Walled Garden“ aufhörten. Fast, denn gerade bei Alan sind doch ein paar Spuren seiner neuen Arbeiten herauszuhören.

Wie man es von früheren Aufnahmen her kennt, wechseln sich schmissige, fast frohsinnige Folksongs ab mit verträumt melancholischen Klageliedern und geheimnisvollen ambienten Soundscapes, und zusammen mit Bates’ unverkennbarer Stimme, die so klar und jugendlich wie eh und je klingt, kreiert die Musik ein verzaubertes Setting, das an ein langsam vor dem Auge verschwimmendes Jugenstilgemälde erinnert.

„Death Went Fishing“ und „Invoce Hecate“ zählen zu den eingängigen Folkstücken, die mit feurigem Geschrammel und ekstatischen Rasseln nach vorn galoppieren – mystische oder makabre Töne schleichen sich über sanft gesungene Textzeilen in die Szenerie und bilden mit der harmonischen Musik eine heikle Mischung, und schon mit den allerorts spürbaren heidnischen Untertönen sind die Stücke vor jedem Indie- und Pop-Appeal gefeit. Impressionistische Tableaus wie „Mad as the Mist“, dessen anfangs noch ziellos umhertastendes Gitarrenspiel sich erst nach und nach zu einem anmutigen Stimmungsbild zusammensetzt, bilden einen Gegenpol dazu, ebenfalls das aus einer balladesken Märchenwelt herübergewehte „Old Ladies as Birds“ und das mit Knacken und Knistern leicht verfremdete Zwischenspiel „Night Harmonium“ – beide Stücke gewinnen noch an Charisma durch Alans berührendes Flötenspiel.

In einigen dieser Tracks sind aber auch räudige Psych Rock-Elemente zuhören, die der Musik eine Kantigkeit verleihen, die in den klassischen Zeiten des englischen Folk nichts ungewöhnliches gewesen wären – zünftige E-Gitarrensoli und dröhnende Riffs, die die Folkmelodien, die sie spielen, gleichsam zerschreddern, als wären sie eine nationalhymne in Woodstock. Weder Eyeless in Gaza noch Orchis waren frei von solch rauen Beigaben, doch hier hat sich v.a. die Sprache jüngerer Temple Music in die Stilpalette geschlichen und gibt dem naturverbundenen Sound eine deutliche Prise Realismus.

Es gäbe einiges, das sich in den einzelnen Songs hervorheben ließ, die anrührende Melodie in „Errant Desires“, die cinematischen Verfremdungseffekte in „Red and Golden Fire“ und der melierte Orgelsound in „Descent“, der in ein verwehtes Sample des Liedes „Hail the Conquering Hero!“ (im Deutschen die Melodie von „Tochter Zion, freue dich“) übergeht, sind nur einige davon, doch alles in allem funktioniert „Insect Silence“ am besten als zusammenhängendes Werk, das mit mehrmaligem Hören immer mehr zu verzaubern weiß. (U.S.)

Label: Final Muzik